Oft fördert das Stöbern im Bücherregal ein Schnäppchen zutage. Ganz kostenlos – ist ja schon bezahlt. So auch in diesem Fall. Der „Rasende Reporter“ Egon Erwin Kisch machte 1934 Schlagzeilen in Australien. Denn Australiens rassistische Regierung wollte seine Einreise verhindern. Politisch interessierte und links engagierte Australier sollten nicht erfahren dürfen, was Kisch aus erster Hand, als Jude und Kommunist über das Geschehen in Deutschland nach der Machtübergabe an die Nazis zu sagen hatte. Egon Erwin Kisch wurde vor 140 Jahren geboren.
Der rasende Reporter Down Under
Egon Erwin Kisch (29. April 1885 -31. März 1948), Journalist, Kommunist war als „der rasende Reporter“ weltweit bekannt. Ende 1934 wurde er als Vertreter europäischer Antifaschisten zum „All-Australian Congress Against War and Fascism“ nach Melbourne eingeladen. Die Regierung Australiens unter Joseph Lyons, unterstützt vom Generalstaatsanwalt und Lyons Nachfolger Robert Menzies, versuchte mit polizeistaatlichen Mitteln, Kischs Einreise und die eines Gastes aus Neuseeland nach Australien zu verhindern.
Authentische Berichte über die Lage in Nazideutschland waren nicht erwünscht. Den umfangreichen Papieren, die im australischen Nationalarchiv digital verfügbar sind, ist zu entnehmen, dass beide Staats-Repräsentanten, Mitglieder der rassistischen und nazifreundlichen United Australia Party (UAP), eine Stärkung oppositioneller Kräfte und der Gewerkschaften befürchteten. Nach einer Deutschland-Reise als Ministerpräsident 1939 ließ Robert Menzies[1] Zit. nach "Mr. Menzies' 'Departed Friends'" in The Mirror Nr. 891 vom 15.7.1939 Seite 17 via Trove. die braune Katze aus dem Sack: „Die Geschichte wird Hitler als einen der großen Männer des Jahrhunderts bezeichnen“.
Kisch wußte sich zu helfen: Als das Schiff gerade in Melbourne ablegen wollte, sprang er am 13. November 1934 aus fünf metern Höhe von Bord des Schiffes, wobei er sich ein Bein brach. Nach ölangem Hin und Her und öffentlichen Debatten verlangten die Behörden (entsprechend der ausländerfeindlichen Gesetze) von ihm einen Sprachtest. Der wurde in gälisch-schottischer Sprache durchgeführt, um sicher zu stellen, dass Kisch nicht bestehen würde. Vor Gericht erstritt Kisch schließlich sein Aufenthaltsrecht in Australien.
Der Friedenskongress war zwar längst vorbei, aber Kisch wurde von Gewerkschaftern und anderen Organisationen schon während des Gerichtsverfahrens als Redner herumgereicht. Freunde schützten ihn vor der Verfolgung durch Polizei und Geheimdienst. So sprach er u.a. vor 18.000 Teilnehmern im Domain-Park in Sydney.
Die Nazis hatten seine Bücher verbrannt, der jüdische Reporter musste fliehen. Erst 1937 konnte er sein Buch über Australien veröffentlichen. In der Bundesrepublik Deutschland blieb er „jahrelang vergessen“, wie Wikipedia den Boykott linker Autoren im Kalten Krieg dezent umschreibt. „Landung in Australien“ wurde, soweit feststellbar, im Westen erstmals erst 1975 veröffentlicht. Dies geschah mit einer Lizenz aus der DDR, wo der Aufbau Verlag in Zusammenarbeit mit Kischs Witwe Gisela u.a. eine Kisch-Gesamtausgabe editiert hatte.
In „Landung in Australien“ erzählt Kisch nicht nur (und mit viel Humor) über den gescheiterten Versuch, seine Reden zu verhindern. Als Reporter auf Reisen sammelt er Eindrücke, Wissen, Meinungen. Kisch verbindet seine Erlebnisse mit historischen Hintergründen. Selbstverständlich präsentiert er seine Erkenntnisse von seinem Standpunkt aus und in dem für ihn typischen mitreißenden Stil literarischer Reportagen.
Auch fast 90 Jahre nach der Erstveröffentlichung ist die „Landung in Australien“ lesenswert und zeitlos.

Das Cover der ersten bundesdeutschen Ausgabe von 1975.

Kisch spricht am 17.2.1935 vor 18.000 Menschen im Domain-Park in Sydney. Foto: Die Aufnahme von Sam Hood wurde tags darauf in der Zeitung „Labor Daily“ veröffentlicht. (Wikipedia, gemeinfrei).

Noch darf er nicht an Land: Im Hafen von Melbourne grüßt Kisch seine Unterstützer von Bord der Strathaird. Foto: Sam Hood (Wikipedia, gemeinfrei).
Fußnoten
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- [1]↑Zit. nach "Mr. Menzies' 'Departed Friends'" in The Mirror Nr. 891 vom 15.7.1939 Seite 17 via Trove.