Zwei Neuerscheinungen in Sachen Dunera
„No One Knows …“
Vor wenigen Tagen erschient „No One Knows Their Destiny“ in Australien. Die australische Kunsthistorikerin Tonia Eckfeld erzählt über das Erleben ihres Vaters Reinhold (1921 – 2017) und ihres Onkels Waldemar Eckfeld (1915 – 1959) in Wien in der Zeit von der „Kristallnacht“ bis zum Ende des 2. Weltkrieges in Australien.
Sie verwendet u.a. bisher unveröffentlichte Kunstwerke, Fotografien und Dokumente. So entsteht ein neuer Blick auf Verfolgung und Flucht der Brüder aus Österreich, ihre Internierung in England, die Deportation nach Australien auf der Dunera und die Internierung in Australien bis zum Kriegsende.
Waldemar und Reinhold Eckfeld. Das Foto entstand zwischen September 1943 und November 1946. Quelle: Eckfeld Archiv, unbekannter Fotograf.
Von den Wachmannschaften der Dunera wurde der psychisch kranke Waldemar nach einem Fluchtversuch im Hafen von Melbourne übelst zusammengeschlagen. Dieser und die vielen anderen Übergriffe der Wachmannschaften, ihre systematische Ausraubung der Internierten und die völlig unzureichende Aufarbeitung in England – einschließlich des Freispruchs des Haupttäters im Fall Waldemars – werden ebenfalls thematisiert.
Ausgangspunkt des Buches ist ein Auszug aus Reinhold Eckfelds 2002 in Österreich veröffentlichtem autobiografischen Buch „Letzte Monate in Wien“, der jetzt erstmals in englischer Sprache vorliegt. Reinhold beschreibt darin, wie er als 17jähriger die „Reichskristallnacht“ in Wien und die weitere Zeit bis zur Ausreise nach England erlebte.
Tonia Eckfeld will jedoch weit über familiäre Erinnerungen und deren Aufarbeitung im historischen Zusammenhang hinaus verdeutlichen, dass „Populärkultur die Dunera Boys mythologisiert“ hat. Dem stellt sie die Auswirkungen von Krieg und Trauma auf die Familienbeziehungen des Vaters und des Onkels entgegen, um das Blickfeld der Leser zu erweitern.
„Letzte Monate in Wien“
Reinhold Eckfeld hatte 1940, bereits in der Internierung in Australien, seine Erinnerungen an das Leben in Wien etwa ab der „Kristallnacht“ am 9. November 1938 aufgeschrieben. Der damals 17jährige Schüler schildert auf rund 100 Seiten sehr präzise und authentisch sein Erleben des antisemitischen Naziterrors im Alltag Wiens. Dabei beschäftigt er sich u.a. mit dem Verhalten von Klassenkameraden, die von guten Freunden zu uniformierten antisemitischen Hitlerjungen geworden sind und mit den Schikanender Bürokratie gegen auswanderungswillige Juden. Wichtig für ihn (und die Leser) die Feststellung, dass die Nazischerger, die er selbst erlebte, nicht etwa Deutsche, sondern sämtlich Österreicher waren.
Für die erste Veröffentlichung von „Letzte Monate in Wien“ im Jahr 2002 hatte der Herausgeber Martin Krist Reinhold Eckfelds autobiografischen Text durch die Ergebnisse historischer Recherchen untersetzt.
Für Anfang Oktober ist eine Neuauflage des Buches unter dem TItel „Reinhold Eckfelds Bericht“ angekündigt. Diese erweiterte und ergänzte Ausgabe wird wiederum von Martin Krist betreut. („Reinhold Eckfelds Bericht. Niedergeschrieben in den australischen Internierungslagern Hay und Tatura 1940/41“, 100 Seiten, 18 €. Verlag der Theodor Kramer Gesellschaft, Wien, ISBN 978-3-903522-24-4).
Tonia Eckfeld: „No One Knows Their Destiny. The Eckfeld Records: Inside the Dunera Story“, Monash University Publishing, Melbourne 2024, ISBN 9781922979780. Preis in Australien: 39,99 AUD.