Dunera

Eine „jüdische Meuterei“?

In mehreren Lagern im Raum Tatura waren Juden zusammen mit deutschen Nazis und italienischen Faschisten untergebracht. Dass diese Konstellation ein starkes Konfliktpotenzial beinhaltet, interessierte die verantwortlichen australischen Militärs wenig. Der Kommandant des Lagers Tatura 3 setzte den gewählten Vertreter der Queen Mary-Juden per Befehl ab, weil dieser zu oft und irgendwann wohl auch frustriert und zu laut auf das Problem hingewiesen hatte. Die Unterstützung der Internierten für ihre gewählten Camp Leader wurde als Meuterei diffamiert und sollte durch Schikanen gebrochen werden. Nach einer massiven Naziprovokationen verprügelten drei Juden einen Nazi-Funktionär. Die Nazis wurden nicht bestraft. Den Ereignissen trotzend wurde eine „experimentelle“ gemeinsame Unterbringung befohlen.

Peter Dehn, Juni 2025.

„Unter britischem Schutz …“

Die Behauptung der britischen Behörden in Singapur, die aus der Kronkolonie zu deportierenden jüdischen Flüchtlinge würden in Australien „unter britischem Schutz auf britischer Erde“ in Freiheit leben[1] Vgl. G. Seefeld, L. Duldig and P. Schlesinger, Letter to the Governor General, Lord Gowrie, 2.3.1941, Duldig Studio Archives, zit.n. „Queen Mary Internees“, Dunera Association, abgerufen am 20.8.2024., hatte 223 deutsche und österreichische Flüchtlinge veranlasst, ihre Arbeitsplätze, Wohnungen und das Leben in der Kronkolonie aufzugeben und ihrem Transport nach Australien zuzustimmen. Zusammen mit 44 Italienern (viele waren Anhänger von Mussolinis Faschisten, also tatsächlich „feindliche Ausländer“) erreichten sie am 25. September 1940 Sydney an Bord der Queen Mary. Unter ihnen waren viele Familien mit kleinen Kindern. Alle wurden sofort im Lager Tatura 3 eingesperrt.

Die alleinstehenden jüdischen Männer dieser Gruppe trafen dort auf rund 150 jüdische Zivilinternierte und 250 Arandora-Star Überlebende deutscher und österreichischer Nationalität, die am 3. September 1940 in Melbourne von Bord der Dunera gegangen waren.

Die Mehrheit der 250er Gruppe bestand aus mit Nazi-Segen ins Ausland geschickten Geschäftsleuten und Angehörigen der deutschen Handelsmarine, die u.a. auf Blockadebrechern gefangen genommen wurden. Die rund 80 Verfolgten dieser Gruppe hatten schon an Bord der Dunera gegen die gemeinsame Unterbringung mit Nazis protestiert.

Die Lagerordnung

„Das Veranstalten politischer Treffen, auf denen politische Propaganda gemacht wird oder wo Nazi- oder faschistische Prinzipien empfohlen, befürwortet oder zu diesen gedrängt wird, ist streng verboten[2] Zit.n. „Ein Appell der Internierten“ dunera.de.. (…) Das Schikanieren von Internierten oder Kriegsgefangenen, die Antinazi- oder antifaschistischen Ansichten vertreten, oder aus anderen Gründen, ist verboten.“

Dass es mit dieser für alle Internierungslager gültigen Regel zumindest in den Tatura Camps unter der Aufsicht des 17. Garrison Battalion[3] Diese Einheit wurde im Juli 1940 gebildet, um die Internierungslager im Raum Tatura zu bewachen. Sie wurde im Juli 1944 aufgelöst. Vgl. Kurzsteckbrief, Virtual War Memorial Australia, abgerufen am 16.1.2025. nicht weit her war, zeigen die Beispiele dieses Beitrags.

In den Tatura-Lagern waren neben 200 Briten italienischer Abstammung, die ebenfalls auf der Dunera deportiert wurden, weitere „australische Italiener“ interniert, die dort als Parteigänger der Faschisten galten. Zu dieser Gruppe wie zu den Internierten der Queen Mary gehörten viele Ehefrauen und alleinstehende Frauen.

Die für die Lager verantwortlichen australischen Militärs ignorierten das Konfliktpotenzial einer gemeinsamen Unterbringung der bekannt feindlichen Gruppen. Diese Ignoranz war gepaart mit militaristischer Arroganz auf schlimmstem Klischee-Niveau: Aus ihrer Befehlsgewalt leiteten die verantwortlichen Offiziere des für die Region Tatura zuständigen 17. Garrison Battalion die Berechtigung zu Schikanen gegen jüdische Gefangene ab. Die Nazis durften hingegen sogar unter anderem eine als „Saalschutz“ bezeichnete Schägertruppe von rund 80 Mann installieren. Deren Auftrag war es u.a., die Wahl der von der lagerinternen NSDAP-Führung[4] Anhang zum Bericht Nr. 58 vom 12.2.1944 des Militärgeheimdienstes, Tatura, Seite 15ff. In NAA_ItemNumber428433, abgerufen am 16.1.2025. gewünschten Camp Leader für das Camp Tatura 3 zu sichern.

Die Absetzung der jüdischen Interniertensprecher

Im Juni 1941 setzte Major James Sproat, Kommandant des Lagers Tatura 3, den von der Queen Mary-Gruppe im Compound C zu ihrem „Camp Leader“ gewählten Gerhard Seefeld und dessen Vertreter Paul Schlesinger ab und befahl eine Neuwahl. Der Bericht des „Offiziellen Besuchers“[5] Bericht des Offiziellen Besuchers vom 21.7.1941. National Archives of Australia, NAA_ItemNumber3357204, Seite 29ff, abgerufen am 20.12.2024. vom 21. Juli 1941 über die Situation im Lager Tatura 3, begleitende Dokumente und weitere Archivalien erhellen die Hintergründe und die dramatischen Auswirkungen dieser Entscheidung. Dazu gehörte zunächst die Rechtfertigung[6] Aktennotiz des Armeeministeriums Seite 4 Ziffer 33 vom 11.9.1941 zum Bericht des Offiziellen Besuchers vom 21.7.1941. NAA_ItemNumber3357204, Blatt 15, abgerufen am 20.12.2024. des Lagerkommandanten:

„Es wird darauf hingewiesen, dass Seefeld nicht als Strafe für seine Beschwerden von seinem Posten als Lagerleiter abgesetzt wurde, sondern aufgrund seiner mangelnden Zusammenarbeit mit den Lagerbehörden. Seefeld hat stets ein unnachgiebiges Verhalten an den Tag gelegt, und nach der jüngsten Verlegung von zwei australischen internierten Frauen in den Compound, in dem er untergebracht ist, protestierte er in einer unangemessenen Sprache, dass er keine Verantwortung für einen möglichen Ausbruch von Gewalt gegen Menschen mit anderen politischen Ansichten als seine übernehmen werde. Diese Äußerung ist zweifellos eine Leugnung der Verantwortung und ein Eingeständnis seiner Unfähigkeit, seine Pflichten als Leader zu erfüllen.“

Äußerlicher Anlass waren zwei Italienerinnen, die in den Compound der jüdischen Flüchtlinge verlegt wurden und sich dort mit dem Hitler-Gruß[7] Bericht des Offiziellen Besuchers aao., Ziffer 16. profilierten. Mit seinen Protesten wurde Gerhard Seefeld seiner Verantwortung für die Sicherheit und den Schutz seiner jüdischen Mitinternierten gerecht. Weil er aber wohl schon zu oft und ignoriert gegen die gemeinsame Unterbringung mit Nazis und Faschisten aufbegehrte, traf er vielleicht die von den Offizieren erwartete devote Haltung eines Befehlsempfängers nicht mehr. Mit der Formulierung, Seefeld wolle „andere politische Ansichten als seine“ nicht unterstützen, zeigte Sproat aber einerseits, dass ihm der Wunsch der Trennung von Nazis/Faschisten und Naziopfern bekannt war. Andererseits erklärte er mit der Ignorierung des Problems die Nazigegner zu Demokratiefeinden schob jegliche Verantwortung für spätere Ereignisse auf die jüdischen Camp Leader ab.

Nach dem Befehl zur Disziplinierung Seefelds und aufmuckender Internierter hatte Major Sproat seine Ruhe. Das behauptete er zumindest. Glaubte er das wirklich? „Der Lagerkommandant stellt fest, dass Disziplin und Verhalten jetzt besser sind als zu der Zeit, als Seefeld als Anführer fungierte“, meldeten seine Vorgesetzten[8] Aktennotiz des Armeeministeriums, aao. selbstgerecht nach oben.

Der Offizielle Besucher

Zum Verständnis: Der Offizielle Besucher sollte als Brücke zwischen den Internierten und der Armeeführung dienen. Berufen wurden dafür zumeist hochrangige erfahrene Juristen. Im Fall des Lagers Tatura 3 handelte es sich um den damals kurz vor der Pensionierung stehenden Richter am Obersten Gericht des australischen Bundesstaates Victoria Charles Leonard Gavan Duffy[9] Wikipedia über Charles Leonard Gavan Duffy, abgerufen am 16.1.2025. (1882-1961). Er war Ansprechpartner der Internierten u.a. für Beschwerden. Bei Besuchen vor Ort ergaben sich lange Listen einzelner allgemeiner und persönlicher Probleme, die die Kommandanten der Lager abzuarbeiten hatten.

Der Kontaktmann der britischen Regierung in Australian Major Julian Layton war hingegen ab dem Frühjahr 1941 mit der Anwerbung von Freiwilligen für die britischen Pioniereinheiten und später der Abwicklung der Internierungslager für Internierte von England und Singapur befasst.

Das erwies sich jedoch als großer Irrtum. Denn die Internierten – auch die Italiener – ließen sich nicht auf der Nase herumtanzen. Das belegt der genannte Bericht.

„Jüdische Meuterer“?

Tatsächlich organisierten Seefeld und sein Vertreter Paul Schlesinger befehlsgemäß am 5. Juli eine außerordentliche Versammlung für eine Neuwahl. Nach Nennung des Themas verließen beide den Raum, um den Eindruck ihrer Einflussnahme[10] Stellungnahme von G. Seefeld an am 16.7.1941 NAA_ItemNumber3357204, 45ff., abgerufen am 20.12.2024. auf Debatte und Wahl zu verhindern. Die Internierten haben „lediglich Seefeld wiedergewählt. Der Lagerkommandant erklärte uns, dass er infolgedessen die Internierten als Meuterer ansah[11] Bericht des Offiziellen Besuchers aao., Seite 29ff. Hier Ziffer 33 Blatt 34.“, protokollierte der Offizielle Besucher ohne weiteren Kommentar. Erwähnt wird dort, ebenfalls ohne weitere Erläuterung, die vorherige Absetzung der Internierten-Vertreter Bianchi und Joseph wegen (angeblich) „geschmackloser“ Beschwerden, während Seefeld und Schlesinger ja angeblich gerade nicht wegen ihrer Beschwerden abserviert worden waren.

Nachdem Seefeld und Schlesinger dem Lagerkommandanten ihre neuerliche Wahl mitteilten, wiederholte dieser die Suspendierungen. Weiterhin gab er eine Reihe von Schikanen gegen die Internierten bekannt: „Ich werde alle einkommende und ausgehende Post blockieren, bis mir zwei neue Namen mitgeteilt werden.“ Anschließend forderte Sproat den Vertreter der italienischen Gruppe Giovanni Batista Reginato und später Dr. Richard Koch auf, Nominierungen als Camp Leader anzunehmen. Beide lehnten ab.

Dr. Koch organisierte am 6. Juli eine Versammlung der Deutschen und Italiener. Die dort beschlossene Resolution stellt zunächst fest, dass man die beiden am Vortag wiedergewählten Vertreter Seefeld und Schlesinger voll unterstützt und die Verweigerung der Postweiterleitung nicht akzeptiere. Der Kommandant wurde aufgefordert, ein Telegramm an den Offiziellen Besucher weiterzuleiten, um diesen an einer Klärung vor Ort zu beteiligen. Major Sproat hatte an der Mitwirkung neutraler Personen bei einer Schlichtung offenbar kein Interesse. Er verweigerte die Weiterleitung[12] Stellungnahme von G. Seefeld aao., Seite 4. der Resolution rechthaberisch, bis ein neuer Camp Leader gewählt worden sei.

Beleidigungen und Schikanen als Reaktion

Der Offizielle Besucher und Gerhard Seefeld stimmten darin überein, dass Sproats Vorgesetzter, der Kommandant des 17. Garrison Battalion Oberstleutnant William Thomas Tackaberry, „im Verlauf einer, wie Seefeld es nannte, maßlosen Rede die jüdischen oder Nicht-Nazi-Internierten in unvorteilhafter Weise mit den faschistischen Italienern verglich, indem er sagte, dass erstere vorgaben, Freunde Großbritanniens zu sein (…), durch ihr Verhalten aber gezeigt hätten, dass sie weniger gut zu respektieren seien als die italienischen faschistischen Internierten im selben Compound.“ Seefeld wertete den Auftritt des Offiziers als Beleidigung der vielen Internierten[13] Bericht des Offiziellen Besuchers aao. und Statement Seefeld aao., Seite 49, abgerufen am 20.12.2024., die mit der Kritik an Seefelds Verhalten nichts zu tun hatten, nahm der Bericht zur Kenntnis. Sogar der Vertreter der italienischen Faschisten Reginato[14] Bericht des Offiziellen Besuchers aao., Ziffer 33. kritisierte, die Rede würde das Verhältnis seiner Gruppe zu anderen im Lager beeinträchtigen.

In einem Statement bewertete Gerhard Seefeld u.a. die Rede Tackaberrys als „hochgradig irregulär“. Sie sei auf „Einschüchterung und Schikane“ hinausgelaufen. Seefeld erinnerte u.a. an die Lagervorschriften und daran, dass

„innerhalb des Geländes bei Versammlungen nicht auf Faschisten, Antifaschisten, Nazis und Anti-Nazis Bezug genommen werden soll, und es erscheint seltsam, dass ein Kommandierender Offizier seine Vorschriften nicht besser kennt. Es kann keine größere Beleidigung für eine Gemeinschaft jüdischer Flüchtlinge geben, die vor der Unterdrückung durch die Nazis geflohen sind und den Horror der Nazi-Konzentrationslager miterlebt haben, wenn man ihnen sagt, dass sie ‚unfreundlich‘ sind, was hier bedeutet, dass sie mehr oder weniger Feinde des britischen Empire sind.“

Seefeld zitierte ergänzend zwei Abschnitte der von Tackaberry selbst herausgegebenen Lagerregeln vom März 1941:

„Ein Internierter darf nicht dafür bestraft werden, dass er einen Antrag oder eine Beschwerde über die Bedingungen seiner Internierung eingereicht hat, auch wenn sich der Antrag oder die Beschwerde als unbegründet beurteilt wird“. (§ 9(6))
„Die Schikanierung von Internierten oder Kriegsgefangenen mit antinazistischen oder antifaschistischen Ansichten oder aus jedem anderen Grund ist verboten.“ (§ 15)

Überhaupt habe das friedliche Zusammenleben[15] Stellungnahme von G. Seefeld aao., Seite 5/6 der eigentlich gegnerischen Gruppen in seinem Compound nur funktioniert, weil er und Reginato sich seit 15 Jahren kannten und Differenzen ausgleichen konnten.

Schikanen – eine Auswahl

Der Offizielle Besucher verwies in seinem Bericht auf eine Fülle von Beschwerden. Zum Befehl über die Zurückhaltung der Post habe Tackaberry erklärt, die Post sei durch den Camp Leader auszugeben. Da es keinen Camp Leader gebe könne auch keine Post ausgegeben werden. Der Offizielle Besucher stellt fest, dass es sich um eine Bestrafung handelt.

Laut Seefeld hatten alle anderen Gruppen im Lager im Gegensatz zu den Juden ihre Post erhalten. Folge man Tackaberrys Rede, wären die Juden zwar „antibritisch“, aber dennoch wohl nicht genug Nazi oder Faschisten, um die gleichen Privilegien zu genießen wie diese tatsächlichen Feinde des Empire, merkte Seefeld sarkastisch an.

Der Offizielle Besucher nannte in seinem Bericht vom 21. Juli 1941 im Zusammenhang mit der Absetzung Seefelds eine Vielzahl weiterer Punkte, die als Strafe und Schikane[16] Bericht des Offiziellen Besuchers vom 21.7.1941, Blatt 6 Ziffer 33. In NAA_ItemNumber3357204, Seite 34, abgerufen am 20.12.2024. gewertet werden können. Hier eine Auswahl:

  • Die Internierten Duldig und Stiwelband (beide Namen im Dokument falsch geschrieben) kritisierten die Trennung von ihren Söhnen. Artur Duldig (19) und Oswald Stiwelband (18) wurden vom 2. Januar bis 12. Mai und erneut ab dem 11. Juli (also nach der Absetzung der Camp Leader, dunera.de) in andere Compounds verlegt, um Raum für Neuzugänge zu schaffen. Die beiden jüdischen Internierten vermuteten, dass die Faschisten und Nazis in ihrem Compound[17] Ebenda., Ziffer 37. durch Neuzugänge gestärkt werden sollten.
  • Auch der Internierte Raffael Holper beschwerte sich über die Trennung von seinem Sohn Allesandro (22), der in einem anderen Compound verlegt wurde.
  • Eine ähnliche Beschwerde des Internierten Bratspies beantwortete der Vorgesetzte von Sproat und Tackaberry mit der geradezu höhnischen Bemerkung, es scheine schwierig, dass Eltern und Sohn länger als 10 bis 15 Minuten miteinander reden. Sie könnten sich „jederzeit von einem Compound zum anderen[18] Antwort des Armee-Hauptquartiers zum Report vom 21.7.1941 an den Offiziellen Besucher, Aktenzeichen MC 20/8/p (undatiert), Seite 3 Ziffer 21. In NAA_ItemNumber3357204, Blatt 20ff. über eine Entfernung von etwa 25 Fuß (7,62 Meter) hinweg unterhalten“.
  • Der Internierte Lichtenstern bat darum, seinen im Internat untergebrachten fünfeinhalbjährigen Sohn Kurt während einwöchiger Ferien zu Besuch ins Lager zu bringen. Das Verbot[19] Ebenda, Ziffer 42, Blatt 24. wurde mit der Kürze der bevorstehenden Ferien begründet. Für spätere längere Ferien dürfe erneut beantragt werden.
  • Der Internierte Bischofswerder sollte auf ärztliche Anordnung in Krankenhaus gebracht werden. Dafür sei angeblich kein Krankenfahrzeug[20] Bericht des Offiziellen Besuchers aao., Ziffer 11. verfügbar, wurde dem Besucher mitgeteilt.
  • Werner Baer kritisierte für eine Gruppe von Berufsmusikern, dass ein von der Jewish Society durch Spenden finanziertes Klavier weggenommen und in den Compound A transportiert wurde. Dies sei eine Bestrafung wegen der Nichtwahl des Camp Leaders. Tackaberry und Vorgesetzte behaupten hingegen, der Spender hätte die Platzierung des Instruments dem Lagerkommandanten[21] Antwort des Armee-Hauptquartiers aao., Ziffer 40, Blatt 24. überlassen, der dieses Recht ausgeübt habe] „Bei uns blieb der Eindruck, dass diese Änderung – ob temporär oder permanent – als Strafe gemeint war“, kommentiert der Offizielle Besucher[22] Bericht des Offiziellen Besuchers aao., Ziffer 33..

Smalltalk über Stacheldraht und Postenweg hinweg? Die Aufnahme der Situation zwischen den Compounds A und B des Tatura Camps 1 entstand im Juni 1943.
Foto: James Tait, Australian War Memorial Nr. 052408 (public domain).

  • Frau Horowitz bemängelte ihre Verlegung von einem Einzelraum in ein Doppelzimmer. Beide dort untergebrachten Frauen seien schwer krank und störten gegenseitig ihren Schlaf. Daher sei eine getrennte einzelne Unterbringung angebracht. „Das kann nicht länger gestattet werden“, kommentiert die vorgesetzte Dienststelle[23] Ebenda, Ziffer 41, Blatt 24. in Melbourne lakonisch.
  • Auch die kranke Frau Goldstein[24] Ebenda, Ziffer 45, Blatt 37. kritisierte ihre Gemeinschaftsunterbringung, während jungen Nazi- und Faschisten-Mädchen Einzelräume zugewiesen wurden.
  • Die Teilnahme von Vertretern des Compounds D an einem lange vorbereiteten Tischtennis-Turnier der vier Compounds wurde ohne Begründung auf Befehl untersagt, stellte Seefeld fest.
  • Die vom Offiziellen Besucher übernommene Frage des Internierten Fischer, warum ihm die Hochzeit mit einer Internierten nicht gestattet wurde, wurde brüsk beantwortet: „Es ist Politik der Behörden, dass keine solche Ehen während der Internierung[25] Ebenda, Ziffer 25, Blatt 22 und Bericht aao., Ziffer 25, Blatt 33. gestattet werden.“ Diese Entscheidung wurde später zurückgenommen; die Hochzeit[26] Vgl. Service and Casualty Forms für die Queen mary-Internierten Hans Fischer (NAA_ItemNumber8615266) und Lotte Calm (NAA_ItemNumber8615249) fand am 8. September 1941 statt.

Die Herren Offiziere scheuten sich offenbar nicht einmal davor, die Versorgung der Internierten mit Lebensmitteln in ihren Strafenkatalog aufzunehmen. Seefeld notierte[27] Stellungnahme Seefeld aao., Seite 4.:

„Während der Inspektion der Küche beschwerte sich Leutnant Gordon über den Geruch. Er wurde informiert, dass die vorhandenen Fleischrationen an dem Morgen nicht den Anforderungen entsprachen und dass gar kein Feuerholz mehr vorhanden sei.“ Der Offizier entgegnete, er könne nichts unternehmen. Diese Beschwerden müsste der Camp Leader vorbringen. Das erklärte er wohlwissend, dass es keinen von dem Kommandanten akzeptierten gab. Zugleich hieß es, die zu kontaktierenden Offiziere Sproat und Tackaberry seien plötzlich erkrankt und nicht zu sprechen.

„Feindpropaganda“ und Hitler-Bücher

Auch die Beschlagnahme des Buches „The Internment of Aliens“ durch den Kommandanten kann nur als Schikane gewertet werden, obwohl die Verantwortung längs der Befehlskette bis zum Southern Command hochgereicht wurde. Dort hatte man das Buch des Briten Francois Lafitte[28] Francois Lafitte „The Internment of Aliens“ war das erste Buch über den Umgang Großbritanniens mit den Flüchtlingen. Es erschien im September 1940 in England, konnte also die Ereignisse auf der Dunera und in den Lagern nicht berücksichtigen. als „feindliche Propaganda[29] Antwort des Armeehauptquartiers aao., Ziffer 14, Blatt 21.“ eingestuft. Dazu schrieb Franz Eichenberg, Sprecher des Compound A, in dem viele in Melbourne ausgeschiffte Dunera Boys untergebracht waren: „Dieses Buch kann in praktisch jedem Buchladen des britischen Empire gekauft werden“. Es sei „eine sehr gute britische Propaganda, weil es klar zeigt, dass die britische Regierung sich nicht gescheut hat, Fehler zuzugeben und zu reparieren“, die im Zusammenhang mit den Internierungen stehen. Man sollte doch tunlichst „vermeiden, den Eindruck entstehen zu lassen, dass die Behörden nicht vorbereitet sind, die Wahrheit bekannt werden zu lassen.“ In dem Buch würden zudem 15 hier internierte Menschen[30] Franz Eichenberg am 7.7.1941 an den Offiziellen Besucher. In NAA_ItemNumber3357204, Blatt 41 abgerufen am 20.12.2024. namentlich erwähnt.

Aus den Unterlagen, zu denen auch interner Briefwechsel verschiedener Militär-Institutionen untereinander und mit dem Offiziellen Besucher gehört, geht nicht hervor, dass der Offizielle Besucher Maßnahmen empfohlen hat.

„Mein Kampf“ und ein weiteres Buch Hitlers wurden am 26. September 1942 im Schaufenster eines Melbourner Bookshops für die Zeitung „Herald“ fotografiert. (Australian War Memorial Nr. 136881 (public domain).

Francois Lafittes Buch war die erste kritische Bestandsaufnahme über den Umgang der Briten mit Flüchtlingen und erschien schon im September 1940, als die Dunera noch unterwegs war.

Ein „Experiment“ mit Juden und Nazis

Nachdem Bitten der Internierung um Trennung von den Nazis 15 Monate lang ignoriert wurden, schaltete sich der Bischof von Sydney Venn Pilcher[31] Bischof Pilcher an Armeeminister Spender am 16.9.1941. In NAA_ItemNumber380404, Blatt 8f. ein. Den Armeeminister Percy Spender erinnerte er u.a. daran, dass im Lager Tatura 1 Compound A noch 50 Nazigegner interniert seien. Weil die Briten laufend Internierte freilassen, sinke deren Zahl „wodurch sie ein Gefühl zunehmender Isolation inmitten einer feindlichen Umgebung hätten“. Er riet von Plänen ab, die bislang durch Stacheldraht getrennten Compounds A und B zusammen zu fassen. Das würde bedeuten, „dass die unglücklichen Flüchtlinge mehr als zuvor der Gnade der Nazis ausgesetzt wären, die sie dann in größerer Zahl und mit mehr feindlicher Gesinnung umgeben werden.“ Die Menschen, die vor Hitler fliehen mussten, seinen nun veranlasst, Nazi-Lieder und Nazi-Bejubelungen zu hören. Der Bischof bittet den Minister, die Flüchtlinge und Nazi-Gegner in ein anderes Lager im Raum Tatura zu Gleichgesinnten zu verlegen. „Es erscheint jedoch nicht weniger als bedauerlich, dass eine Frage der Bequemlichkeit Australien den Vorwurf sowohl der Unmenschlichkeit als auch des Vertrauensbruchs einbringen kann.“

Der Minister[32] Antwort an Pilcher vom 15.10.1941. ebenda, Seite 5. ließ am 15. Oktober 1941 antworten, es handele sich um nur 30, nicht 50 Menschen. Zugleich verdrehte man die Frage und erklärte, dass es 30 „local internees“ wären – also in Australien verhaftete Nazis. Das seien zu wenige für ein eigenes Lager oder den Transfer in eines mit anderen Flüchtlingen. „Kürzlich wurde beschlossen, dass die 30 einheimischen Internierten (also Nazis, der Autor) im Zuge der Umverteilung der britischen Internierten in Kürze als Experiment in demselben Lager untergebracht werden wie eine Gruppe von Internierten aus dem Vereinigten Königreich, die mehrheitlich jüdisch sind und mit denen sie harmonisch zusammenleben sollen.“

Gleichentags datiert eine Aktennotiz der Armeeführung an den Minister: Da wird behauptet, dass in dem Camp, das für das „Experiment“ mit dem 30 „local internees“ vorgeschlagen wurde, „hauptsächlich Juden sind und die vom Sicherheitsstandpunkt aus ‚zweifelhaft‘[33] Aktennotiz vom 18.10.1941, ebenda, Seite 4. seien.“ Ein „Experiment“ zum „harmonischen Zusammenleben“ von Nazis und „zweifelhaften“ Juden?

Auch Nazis …

Der Vollständigkeit halber ist zu vermerken, dass auch Nazis nicht mit Juden nicht hinter einem gemeinsamen Stacheldrahtzaun leben wollten. Das forderte u.a. eine Gruppe von fünf deutschstämmigen australischen Nazi-Internierten[34] Vertraulicher Bericht des Bataillonschefs Oberstleutnant Tackaberry vom 29.9.1941, in NAA Ibid, Seite 45.. Als Autoren[35] Die Genannten waren seit 1926 in Australien und als NSDAP-Mitglieder bekannt. Frau Bachmann war die Schwester von Frau Frerck. Div. NAA-Akten, abgerufen am 21.12.2024. wurden die Eheleute Picker und Frerck sowie die Frerck-Schwägerin Bachmann genannt. Bis auf Bachmann enthalten die australischen Personalakten u.a. NSDAP-Ausweise dieser Personen.

Was sich die Nazis in den Tatura-Lagern erlauben konnten, geht aus einer anderen Arbeit hervor, die aus einer Chronik eines internierten Nazis zitiert: „Wir marschierten, um die deutschen Siege[36] David Henderson, „Bycatch of War: The German-Australien Internees 1939-1945“ (2006), abgerufen am 10.3.2025. Der Autor ignoriert die Rolle der Nazipartei im Lager; es hätte nur „einige glühende Nazis“ gegeben und andere, die sich „ein starkes Gefühl der Loyalität gegenüber dem Vaterland bewahrt“ hatten. Die Quelle dieser „Chronik“ wird nicht genannt. zu feiern, trotz des Befehls der Lagerleitung.“

Dass die kommandierenden Offiziere zumindest in den Tatura-Lagern Nazis und Faschisten nicht nur gegen jüdische Internierte und Nazigegner ausspielten zeigen weitere Vorfälle: In den Lagern Tatura 1 und Tatura 3 waren Nazis als Camp Leader von den Kommandanten gern gesehen. NSDAP-Gliederungen arbeiteten unter den Augen des Militär-Geheimdienstes und betrieben sogar eine illegale Druckerei und einen „Saalschutz[37] Anlage zum Geheimdienst-Bericht vom 12.2.1944 in NAA_ItemNumber428433, Blatt 15.“ der bei Wahlen der Camp Leader das von den Nazis gewünschte Ergebnis durchzusetzen hatte.

Nichts gehört, nichts gesehen, nichts bestraft

Die von Major Sproat nach oben berichtete Beruhigung nach der Absetzung von Seefeld und Schlesinger hatte also gar nicht stattgefunden. Im Gegenteil: Major Sproat und sein Vorgesetzter Oberstleutnant Tackaberry hatten die Probleme und Konflikte durch ihre Beschimpfungen und unangemessene Kollektivbestrafungen noch verschärft. Zwei Monate später kam es zum nächsten gravierenden Vorfall.

Junge Nazis hatten am 28. September 1941 gegen 19.40 Uhr am Zaun zwischen ihrem Compound D und dem Compound C der jüdischen Flüchtlinge lautstark Nazilieder abgesungen. Möglicherweise zur Feier eines militärischen Erfolges der Wehrmacht. Die Juden gaben zu Protokoll, sie seien durch antisemitische Lieder provoziert worden. Die Nazis erklärten, es habe sich um Kinder und harmlose Folklore gehandelt. Major Sproat erklärte, kein Soldat mit Sprachkenntnissen sei zugegen gewesen, es gebe also keinen Beweis über die Natur der Lieder. Damit sprach er die Nazis frei[38] Bericht an das Armeehauptquartier, undatiert (wahrscheinlich von Ende Oktober 1941). In NAA_ItemNumber347069, Seite 14 f, abgerufen am 20.12.2024.. Ohnehin hätte es sich um Kinder unter zehn Jahren gehandelt, folgte er wiederum der Behauptung der Nazis. Diese übten hinter den Kulissen in den Nazi-Compounds der Tatura-Lager 1 und 3 die Macht aus.

Den Charakter des Repertoires der Nazis und ihrer Kinder beschreibt ihr „Tatura-Lied[39] Zit. n. Albrecht Dümling "Die verschwundenen Musiker", Weimar, Wien 2011, Seite 226.“ mit dem Refrain

„Geduld, Kameraden, und frohen Mut
Hat Deutschland gesiegt,
ist alles wieder gut“.

Die angeblich nichtrassistische Folklore-Darbietung veranlasste allerdings den gemeinsam mit Juden im Compound C eingesperrten australischen NSDAP-„Ortsgruppenleiter“ Waldemar Weber[40] Waldemar Weber war NSDAP-Chef von Sydney. Er war vom Lager 1 ins Lager 3 verlegt worden, um mit seiner Frau Irma Nora zusammen zu sein. Beide waren 1937 nach Australien gekommen. Vgl. Personalakten im NAA, NAA_ItemNumber9902329, NAA_ItemNumber8613358, NAA_ItemNumber8613829 und NAA_ItemNumber9902792; abgerufen am 20.12.2024., seinen Gesinnungsgesangs-Kameraden über den Zaun hinweg mit mehrfachen lautstarken „Bravo“- und „Heil Hitlter“-Rufen und dem Nazigr8uß zu assistieren. Weber selbst bestätigte diesen Verstoß gegen die Lagerregeln auf Befragen.

Bei den Juden aus Singapur herrschte nach beiden Vorkommnissen, wenig verwunderlich, höchste Erregung. Zumal offenbar auch Webers Frau Irma Nora, im Sproat-Bericht ebenfalls als Nazi bezeichnet, ihrerseits provozierte. Bei dem vom überforderten Sproat zu Hilfe geholten Bataillons-Kommandanten Tackaberry beschwerte sie sich über eine angebliche Beleidigung als „nazi swine“ durch eine jüdische Internierte. Die so kriminalisierte Jüdin [41] Major Sproat, Bericht vom 29.9.1941 über Störungen im Compound D am 28.9.1941. In NAA_ItemNumber347069, Blatt 46. (der Name „Tylly Heimann“ im Dokument ist falsch und nicht eindeutig) scheute sich nicht, in Anwesenheit des Bataillonschefs ihrerseits erregt und gestikulierend Beschwerde zu führen. Die jüdische Frau wurde, angeblich „nur“ für eine Stunde, in eine Einzelzelle gesperrt.

Prügelei hinter Gittern

Erregte jüdische Internierte[42] Bericht an das Hauptquartier aao, Seite 5. – genannt wurden Beer, Liebrecht und Bratspies – hätten anschließend den Herrn „Ortsgruppenleiter“ Weber „als direktes Ergebnis seines Verhaltens“ verprügelt und ihm einen kleinen „Cut“ am Kopf beigebracht. Ein Posten habe durch einen Warnschuss Schlimmeres verhindert. „Ein jüdischer Internierter wurde von einem Stein im Gesicht getroffen, was zu einer sehr leichten Verletzung führte“, sorgte sich Major Sproat ausdrücklich um den Ausgleich der Schmerzbilanz[43] Major Sproat, Bericht, aao.. Weber wurde ins Tatura Camp 1 zurückverlegt. Von dort hatte man ihn zuvor geholt, um die Trennung von seiner Frau zu beenden.

Eine unrühmliche Rolle in dieser Sache spielte wohl auch der Vertreter der faschistischen Queen-Mary Italiener Reginato: Er verlangte u.a. das Einschreiten der Schweizer Vertretung[44] Die Schweiz hatte die Vertretung der Interessen von deutschen und italienischen Kriegsgefangenen und Internierten übernommen. „nach einem gewalttätigen Übergriff von Juden auf einen aus unserer Sektion“ des Lagers und stellte sich damit mit den deutschen Nazis auf eine Internierungs-„Achse“[45] Bericht des Lagerkommandanten aao., Seite 50..

Gesehen, aber nicht identifiziert

Ein Soldat bei der Überprüfung eines Lewis-MG auf einem der Wachttürme.
Foto von 1943: Australian War Memorial Nr. 064999 (public domain).

Später am gleichen Abend habe ein „palästinensischer Internierter[46] Damit waren deutsche Templer, zumeist Nazianhänger gemeint, die die Briten 1941 aus Palästina deportiert hatten.“ versucht, den Zaun von Compound C nach Compound D zu übersteigen. Auch das sei durch Warnschüsse von einem Wachtturm verhindert worden. Der Bericht beschränkt sich darauf, dass man den Täter nicht identifizieren und daher nicht bestrafen konnte.

Um ähnliche Ereignisse zu verhindern, befahl die vorgesetzte Militärstelle daraufhin, „alle Nazis und Faschisten-Internierten aus dem Compound D zu entfernen, so dass die jüdischen Internierten in dem Compound exklusiv[47] Bericht an das Armeehauptquartier aao., Seite 17 f. verbleiben“. Den Camp Leadern der Compounds A, B und C wurde aufgetragen, alles zu unterlassen, was die „jüdische Bruderschaft im D Compound provozieren“ könne. Damit gestanden die verantwortlichen Militärs zwar ihre Fehlentscheidungen ein. Zu einer wirksamen Trennung kam es aber vielleicht nicht. Eine Trennung der beiden Gruppen sei nämlich „nur im Rahmen des vorhandenen Platzes“ möglich, folgte prompt die Ausrede, mit der die Anweisung unterlaufen wurde.

Eine jüdische Intrige?

Bemerkenswert ist die Schlussfolgerung, die Bataillonschef Tackaberry[48] Vertraulicher Bericht des Bataillonschefs Oberstleutnant Tackaberry vom 29.9.1941, in NAA Ibid, Seite 45. seinen Vorgesetzten entgegen der Behauptung Sproats, alles sei ruhig, meldete:

„Der betreffende Compound hat mehrere Monate lang große Probleme bereitet, und die dortigen Juden fordern ständig die Entfernung der bei ihnen internierten Nazis und Faschisten. (…) Ich bin der Meinung, dass es sich bei den Unruhen von gestern Abend und heute um eine geplante Demonstration handelte, um ihre Forderung nach der Entfernung der Nazis und Faschisten durchzusetzen. (…) Keiner der Juden, auch nicht der Compound Leader, hat Bestrebungen gezeigt, dem Lagerkommandanten bei der Wiederherstellung der Ordnung zu helfen.“

Die Verantwortung wird hier also auf ein jüdisches Komplott und Meuterei (s.o.) abgeschoben. Diese durchaus antisemitische Sprachregelung erinnert u.a. an den Kommandanten Scott, für den die Nazis an Bord der Dunera eine exzellente Truppe und die Juden Querulanten waren. Die einfache Erkenntnis und Erfahrung, dass man verfeindete Gruppen nicht gemeinsam einsperrt, hatte die Verantwortlichen australischen Armee nicht einmal erreicht, als es zu spät war.

Nachtrag

Die australische Armee remobilisierte Veteranen des Ersten Weltkriegs aller Dienstgrade zum Dienst im Heimatland. Zu ihren Aufgaben gehörte u.a. die Bewachung von Internierten und Kriegsgefangenen.

Thomas William Tackaberry, geboren 1879 in Irland, wurde 1939 aus dem Ruhestand geholt. Er wurde im September 1940 zum kommandierenden Offizier des 17. Garrison Battalion und Kommandanten der zugeordneten Internierungslager im Rang eines Oberstleutnants ernannt. Am 11. April 1942 wurde er aus dem Dienst entlassen. Kurz danach wies er in einem Leserbrief die Behauptung zurück, die Internierten seien Feinde gewesen. „In der Tat waren sie meist klassifiziert als ‚Refugee Aliens[49] Cyril Pearl „The Dunera Scandal“, Angus & Robertson 1983, Seite 209.‘ (ausländische Flüchtlinge, der Autor) und nicht als ‚Enemy Aliens‘ (feindliche Ausländer) und hatten Deutschland und Österreich wegen ihres Hasses und Furcht vor dem ‚Hitlerismus‘ und ‚Nazismus‘ verlassen.“ Die Frage, warum er die Flüchtlinge so behandelte, wie er das getan hatte, wird dadurch nicht beantwortet.

Major James Sproat im Dezember 1942.
Foto: C.T. Halmarick. Australian War Memorial 030203/02 (public domain).

James Sproat wurde am 14. November 1887 in Schottland geboren. Er wurde für das 17. Garrison Battalion im Range eines Majors remobilisiert. Von dort wurde er am 13. November 1941 (also kurz nach der von ihm befohlenen Schikanenen gegen jüdische Internierte) vom 17. zum 23. Garrison Battalion versetzt, das für das Kriegsgefangenen-Lagers 13 bei Murchison (Region Tatura) zuständig war. Am 4. Dezember 1943 in den Ruhestand geschickt.

Fußnoten

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  • [1]Vgl. G. Seefeld, L. Duldig and P. Schlesinger, Letter to the Governor General, Lord Gowrie, 2.3.1941, Duldig Studio Archives, zit.n. „Queen Mary Internees“, Dunera Association, abgerufen am 20.8.2024.
  • [2]Zit.n. „Ein Appell der Internierten“ dunera.de.
  • [3]Diese Einheit wurde im Juli 1940 gebildet, um die Internierungslager im Raum Tatura zu bewachen. Sie wurde im Juli 1944 aufgelöst. Vgl. Kurzsteckbrief, Virtual War Memorial Australia, abgerufen am 16.1.2025.
  • [4]Anhang zum Bericht Nr. 58 vom 12.2.1944 des Militärgeheimdienstes, Tatura, Seite 15ff. In NAA_ItemNumber428433, abgerufen am 16.1.2025.
  • [5]Bericht des Offiziellen Besuchers vom 21.7.1941. National Archives of Australia, NAA_ItemNumber3357204, Seite 29ff, abgerufen am 20.12.2024.
  • [6]Aktennotiz des Armeeministeriums Seite 4 Ziffer 33 vom 11.9.1941 zum Bericht des Offiziellen Besuchers vom 21.7.1941. NAA_ItemNumber3357204, Blatt 15, abgerufen am 20.12.2024.
  • [7]Bericht des Offiziellen Besuchers aao., Ziffer 16.
  • [8]Aktennotiz des Armeeministeriums, aao.
  • [9]Wikipedia über Charles Leonard Gavan Duffy, abgerufen am 16.1.2025.
  • [10]Stellungnahme von G. Seefeld an am 16.7.1941 NAA_ItemNumber3357204, 45ff., abgerufen am 20.12.2024.
  • [11]Bericht des Offiziellen Besuchers aao., Seite 29ff. Hier Ziffer 33 Blatt 34.
  • [12]Stellungnahme von G. Seefeld aao., Seite 4.
  • [13]Bericht des Offiziellen Besuchers aao. und Statement Seefeld aao., Seite 49, abgerufen am 20.12.2024.
  • [14]Bericht des Offiziellen Besuchers aao., Ziffer 33.
  • [15]Stellungnahme von G. Seefeld aao., Seite 5/6
  • [16]Bericht des Offiziellen Besuchers vom 21.7.1941, Blatt 6 Ziffer 33. In NAA_ItemNumber3357204, Seite 34, abgerufen am 20.12.2024.
  • [17]Ebenda., Ziffer 37.
  • [18]Antwort des Armee-Hauptquartiers zum Report vom 21.7.1941 an den Offiziellen Besucher, Aktenzeichen MC 20/8/p (undatiert), Seite 3 Ziffer 21. In NAA_ItemNumber3357204, Blatt 20ff.
  • [19]Ebenda, Ziffer 42, Blatt 24.
  • [20]Bericht des Offiziellen Besuchers aao., Ziffer 11.
  • [21]Antwort des Armee-Hauptquartiers aao., Ziffer 40, Blatt 24.
  • [22]Bericht des Offiziellen Besuchers aao., Ziffer 33.
  • [23]Ebenda, Ziffer 41, Blatt 24.
  • [24]Ebenda, Ziffer 45, Blatt 37.
  • [25]Ebenda, Ziffer 25, Blatt 22 und Bericht aao., Ziffer 25, Blatt 33.
  • [26]Vgl. Service and Casualty Forms für die Queen mary-Internierten Hans Fischer (NAA_ItemNumber8615266) und Lotte Calm (NAA_ItemNumber8615249)
  • [27]Stellungnahme Seefeld aao., Seite 4.
  • [28]Francois Lafitte „The Internment of Aliens“ war das erste Buch über den Umgang Großbritanniens mit den Flüchtlingen. Es erschien im September 1940 in England, konnte also die Ereignisse auf der Dunera und in den Lagern nicht berücksichtigen.
  • [29]Antwort des Armeehauptquartiers aao., Ziffer 14, Blatt 21.
  • [30]Franz Eichenberg am 7.7.1941 an den Offiziellen Besucher. In NAA_ItemNumber3357204, Blatt 41 abgerufen am 20.12.2024.
  • [31]Bischof Pilcher an Armeeminister Spender am 16.9.1941. In NAA_ItemNumber380404, Blatt 8f.
  • [32]Antwort an Pilcher vom 15.10.1941. ebenda, Seite 5.
  • [33]Aktennotiz vom 18.10.1941, ebenda, Seite 4.
  • [34]Vertraulicher Bericht des Bataillonschefs Oberstleutnant Tackaberry vom 29.9.1941, in NAA Ibid, Seite 45.
  • [35]Die Genannten waren seit 1926 in Australien und als NSDAP-Mitglieder bekannt. Frau Bachmann war die Schwester von Frau Frerck. Div. NAA-Akten, abgerufen am 21.12.2024.
  • [36]David Henderson, „Bycatch of War: The German-Australien Internees 1939-1945“ (2006), abgerufen am 10.3.2025. Der Autor ignoriert die Rolle der Nazipartei im Lager; es hätte nur „einige glühende Nazis“ gegeben und andere, die sich „ein starkes Gefühl der Loyalität gegenüber dem Vaterland bewahrt“ hatten. Die Quelle dieser „Chronik“ wird nicht genannt.
  • [37]Anlage zum Geheimdienst-Bericht vom 12.2.1944 in NAA_ItemNumber428433, Blatt 15.
  • [38]Bericht an das Armeehauptquartier, undatiert (wahrscheinlich von Ende Oktober 1941). In NAA_ItemNumber347069, Seite 14 f, abgerufen am 20.12.2024.
  • [39]Zit. n. Albrecht Dümling "Die verschwundenen Musiker", Weimar, Wien 2011, Seite 226.
  • [40]Waldemar Weber war NSDAP-Chef von Sydney. Er war vom Lager 1 ins Lager 3 verlegt worden, um mit seiner Frau Irma Nora zusammen zu sein. Beide waren 1937 nach Australien gekommen. Vgl. Personalakten im NAA, NAA_ItemNumber9902329, NAA_ItemNumber8613358, NAA_ItemNumber8613829 und NAA_ItemNumber9902792; abgerufen am 20.12.2024.
  • [41]Major Sproat, Bericht vom 29.9.1941 über Störungen im Compound D am 28.9.1941. In NAA_ItemNumber347069, Blatt 46.
  • [42]Bericht an das Hauptquartier aao, Seite 5.
  • [43]Major Sproat, Bericht, aao.
  • [44]Die Schweiz hatte die Vertretung der Interessen von deutschen und italienischen Kriegsgefangenen und Internierten übernommen.
  • [45]Bericht des Lagerkommandanten aao., Seite 50.
  • [46]Damit waren deutsche Templer, zumeist Nazianhänger gemeint, die die Briten 1941 aus Palästina deportiert hatten.
  • [47]Bericht an das Armeehauptquartier aao., Seite 17 f.
  • [48]Vertraulicher Bericht des Bataillonschefs Oberstleutnant Tackaberry vom 29.9.1941, in NAA Ibid, Seite 45.
  • [49]Cyril Pearl „The Dunera Scandal“, Angus & Robertson 1983, Seite 209.

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