Der hier im Wortlaut dokumentierte Appell christlicher Würdenträger des australischen Bundesstaates Victoria wurde wahrscheinlich in der ersten Juliwoche 1941 von der Melbourner Zeitung „The Age“ als Leserbrief veröffentlicht. Kurz zuvor waren die Internierten aus dem Lager Hay in News South Wales nach Tatura in Victoria verlegt worden. Es besteht ein offenkundiger zeitlicher Zusammenhang mit dem Hilferuf der internierten Juden und Nazigegner. Im Mai 1941 – also etwa sechs Wochen zuvor – hatten sie in ihrem „Appell für Gerechtigkeit und Menschlichkeit“ ihre völlig unklare Situation und die Behandlung als Feinde der Alliierten angeprangert. Die Würdenträger übernahmen daraus Argumente. SIe verwiesen, wie zuvor die Internierten, u.a. darauf, dass die britische Regierung die Internierungen bereits im Sommer 1940 aufgehoben hatte. In Australien wurden ein Jahr später mehr als 2.000 Internierte immer noch hinter dreifachem Stacheldraht festgehalten.
Übersetzung: Peter Dehn.
Appell für Flüchtlinge
Wir, die unterzeichnenden Leiter christlicher Kirchen und Institutionen in Victoria, empfehlen aufrichtig die Arbeit des Victorian International Refugee Emergency Council im Namen der Flüchtlinge, die sich in unserem Land niedergelassen haben, und insbesondere der Flüchtlinge (etwa 2000), die in England infolge eines allgemeinen Internierungsbefehls im vergangenen Juli interniert und dann nach Australien transportiert wurden, wo sie sich jetzt in Internierungslagern befinden. Diese Männer und Jungen – eine beträchtliche Anzahl von ihnen sind unter zwanzig Jahren – sind fast alle der demokratischen Sache treu, politisch völlig antinazistisch eingestellt und größtenteils jüdischer Abstammung und wurden Opfer der Nazi-Unterdrückung in Europa, bevor sie nach Großbritannien geflohen sind.
Ihr Los ist verzweifelt, denn Tausende von Menschen, die unter vergleichbaren Bedingungen interniert wurden, wurde gestattet, nach England zurückzukehren, jedoch haben Transportschwierigkeiten das bisher verhindert. Solange die australische Regierung ihre Politik nicht ändert, um ihre Freilassung in diesem Land zu ermöglichen, scheinen sie dazu verurteilt, für die Dauer des Krieges hinter Stacheldraht und unter militärischer Bewachung inhaftiert zu sein.
Die V.I.R.E.C.-Organisation hat sich bemüht, ihr Los so weit wie möglich zu verbessern. Es ist uns ein großes Anliegen, dass diese Arbeit fortgesetzt wird, bis die Notlage nicht mehr besteht, und wir laden unsere Freunde ein, die bescheidensten notwendigsten Ausgaben zu unterstützen und durch Kleiderspenden, Bücher usw. zu helfen, damit diese unglücklichen Menschen die Gewissheit haben, dass es in diesem Land Menschen gibt, die „einem der letzten meiner Brüder“ praktisches Mitgefühl und menschliche Güte entgegenbringen. Wir appellieren an all jene, die die Arbeit von V.I.R.E.C. sowohl für die in diesem Staat lebenden Flüchtlinge als auch für die internierten Flüchtlinge fortsetzen möchten, einen Beitrag an einen der Unterzeichner oder an den Flüchtlingsrat, 177 Collinsstreet, zu senden.
Dunera Boy Emil Wittenberg datierte sein Bild auf den 29. Mai 1941 in Tatura – also kurz nach dem Umzug von Hay. Mit freundlicher Genehmigung to come. Von wem auch immer.
F.W. MELBOURNE, Erzbischof von Melbourne;
C.N. BUTTON, Vorsitzender der Presbyterianischen Kirche von Victoria;
ERIC EVANS, Präsident der Baptistenvereinigung von Victoria;
J. ERNEST ALLAN, Präsident, Konferenz der Kirchen Christi;
A.C. STEVENS, Vorsitzender der Congregational Union of Victoria;
WILLIAM B. DALZIEL, Territorialer Kommandeur der Heilsarmee.
Hinweis: Der Zeitungsausschnitt, der diese Veröffentlichung anregte, befindet sich im Archiv der Familie Wolkenstein. Dunera Boy Christoph Wolkenstein hatte den Artikel unter seinen Tagebucheintrag vom 9. Juli 1941 geklebt. Unser Dank gilt seiner Tochter Anne Wolkenstein für die Genehmigung dieser Veröffentlichung des Textes und ihres Fotos. Christoph Wolkenstein, damals 18 Jahre und sein 16 Jahre alter Bruder Oswald – beide aus Österreich stammende Katholiken – wurden mit der Dunera von England nach Australien deportiert.