Dunera

„Entsorgt“ in Bombay

Wenig bekannt ist, dass einige Internierte, die auf der HMT Dunera nach Australien deportiert wurden, schon nach wenigen Tage auf den Rückweg nach England geschickt wurden. Im Hafen von Sydney fanden sich die 13 Männer– ausgerechnet an Bord der Dunera und in Nachbarschaft der ihnen unangenehm bekannten Wachmannschaften – wieder. „Ich habe auch später nicht herausgefunden, warum die britische Regierung beschloss, mich und noch fünf weitere Personen freizulassen“, erinnert sich Richard W. Sonnenfeldt. Tatsächlich traten 13 Männer diese Reise an.

Peter Dehn im Mai 2024.

Ein unerwartetes Wiedersehen

13 Karteikarten des britischen Home Office wurden mit Bemerkungen wie „Disembarked from SS Dunera at Bombay“ versehen. Die australischen Behörden füllten die üblichen grünen Laufzettel für Internierte gar nicht erst vollständig aus; neben dem Namen vermerkten sie lakonisch „Returned to England for SS Dunera“. Keiner der Beteiligten konnte wissen, dass das ein gewaltiger Irrtum war.

13 Internierte[1] Die Dunera Association nennt in ihrem Newsletter Nr. 37 (Seite 4) 13 Namen, zu deren Biografien hier recherchiert wurde., die gerade erst im Lager Hay angekommen waren, wurden von der Aufforderung überrascht, sofort ihre Sachen zu packen, um nach England zurückzukehren. So fanden sie sich am 11. September 1940 – also nur fünf Tage nach der Ankunft in Sydney – erneut an Bord des verhassten Schiffes wieder. Jedoch verbrachten sie dort nur die erste Nacht, wie Kriminelle eingeschlossen im Bunker, berichtete Henry Kahn[2] Bericht von Henry Kahn, Dunera News Nr. 105, Seite 19.. Weitere Nächte verbrachten sie zwischen Gewaltverbrechern und Prostituierten im Gefängnis Malabar am Rande Sydneys. „ … Wir wurden auf einen Lastwagen verfrachtet und – unglaublicherweise – erneut an Bord der HMT Dunera gebracht“, erinnerte sich Richard W. Sonnenfeldt[3] Richard W. Sonnenfeldt, „Mehr als ein Leben“, Seite 107f. Sonnenfeldt trügt die Erinnerung, wenn er diesen Reiseabschnitt in Melbourne ansiedelt und bezüglich der Zahl der Internierten.. „Wir verließen Australien endgültig am 14. September 1940“, schrieb Kahn[4] Autobiografischer Text von Henry Kahn „The Silver Candle Holders“, US Holocaust Museum, Seite 37, abgerufen am 5.5.2024. später.

Eine Wiederbegegnung[5] Sonnenfeldt aao., Seite 107f. auf der Dunera beschrieb Richard W. Sonnenfeldt:Was für ein Schock! Johnny[6] Sonnenfeldt nennt „Johnny“ einen besonders brutalen „geborenen Sadisten“. und die anderen Wachen waren alle noch da. Wir waren zwar keine Gefangenen mehr, aber sie wussten ganz genau, dass wir erst in England freigelassen würden. So standen wir immer noch unter der Befehlsgewalt des kommandierenden Offiziers auf dem Schiff, der jedoch glücklicherweise nicht derselbe Sadist wie der auf der Hinreise war.“

Die Befehlsgeber an Bord setzten die 13 als unbezahlte Hilfsarbeiter ein: Beim ersten Zwischenstopp in Fremantle, Western Australia, halfen sie den Ladearbeitern, gefrorene Schweinehälften an Bord zu tragen. „Alle Töpfe und Pfannen, die auf dem Hinweg benutzt wurden, mussten geschrubbt werden. Wir bekamen Lappen und Scheuerpulver und machten uns an die Arbeit. Mir gefiel diese Art, uns zu beschäftigen, nicht, und ich dachte, wenn wir das Scheuerpulver aufbrauchen, können wir auch nicht mehr putzen. Als ich in den Lagerraum kam, stellte ich zu meinem Entsetzen fest, dass es so viele Dosen gab, dass es unmöglich war, den Vorrat aufzubrauchen[7] Henry Kahn „The Silver Candle Holders“, aao..“ Diese Situation schildert Sonnenfeldt so: „Wir konnten uns auf dem Schiff frei bewegen, mussten aber alles sauber machen: Töpfe, Pfannen, Geschirr, Decks, Tische und Bänke. Wie überall beim Militär galt es auch, Dinge zu säubern, die schon sauber sind, immer wieder ( … ).“

„Jeden Tag gab es Seenotrettungsübungen und ich fragte mich, warum“, stellte Sonnenfeldt fest – nachdem während der 57 Reisetage nach Australien nichts dergleichen geschehen war. Die Antwort ergab sich bald: „Aber dann schrillte eines Tages der Alarm, und es war keine Übung. Die Heckkanone der Dunera ging mit einem ohrenbetäubenden Knall los. (…) Ein paar Granaten flogen auf uns zu und explodierten in der Nähe des Schiffs im Wasser. Später hieß es, die Dunera habe für deutsche und italienische Raider (…) als Lockvogel[8] Sonnenfeldt, aao. gedient.“

Im Hafen von Bombay „entsorgt“

„Jetzt wurden wir nach Bombay umgeleitet[9] Zum einheitlichen Sprachgebrauch, auch in den zitierten Dokumenten, wird hier der britisch-koloniale Name der Stadt verwendet, die seit 1996 Mumbai heißt. Vgl. Wikipedia, abgerufen am 5.5.2024., wo wir am Hafen in die Obhut eines indischen Polizeiinspektors übergeben wurden“, nachdem sie „dumped onto the pier[10] Sonnenfeldt, „Witness to Nuremburg“, Seite 152. „To be dumped“ = zu entsorgen.“ wurden, wie Sonnenfeldt es harsch beschrieb. Erste Erlebnisse der Männer an Land waren die erkennungsdienstliche Behandlung und eine polizeiliche Befragung. Sie wurden verpflichtet, berichtete Kahn, sich zweimal wöchentlich morgens um 9 Uhr bei der Polizei zu melden. Ihnen war der Besitz von Fotoapparaten, Waffen, Funkgeräten, Ferngläsern und über die unmittelbare Umgebung hinausreichenden Landkarten verboten. Polizisten fuhren sie anschließend zu einem Wohngebäude im Norden der Stadt. In dem von der Jewish Relief Association (JRA) bewirtschafteten Quartier mussten sie zuerst die Wanzen aus den Betten schütteln. JRA vermittelte sie an Arbeitgeber. Offenbar wurde also nicht mit einer schnellen Weiterreise gerechnet.

Jüdische Selbsthilfe

Die Zettelsammlung britischer Archive „1940: Australian Internees on Ss Dunera Who Disembarked in Bombay[11] “ enthält u.a. die undatierte Notiz über ein Telefonat mit der Vertreterin der jüdischen Hilfsorganisation JRC[12] Im Gegensatz zum Home Office bezeichnen Kahn und Sonnenfeldt die für sie tätige Hilfsorganisation als JRA. – offenbar mit einer britischen Dienststelle. JRC teilte demnach mit, dass „die SS Dunera, bestimmt nach dem UK, Bombay erreichte, umgeleitet wurde und wieder nach Osten fuhr. Nun sind elf Internierte in Bombay ‚gestranded‘“. JRC halte Kontakt zu den Männern, um deren weitere Reisepläne zu erfahren.

Allerdings konnte die offizielle Entlassung aus der Internierung damals nur auf britischem Heimatboden erfolgen, wie Sonnenfeldt richtig vermerkte. Dass die britischen Behörden, die die 13 Internierten aus Australien abberufen hatten, Bemühungen um deren Weiterreise nach England oder gar um die Sicherung ihres Aufenthalts in Indien gezeigt hätten, ist nicht dokumentiert. Das wurde wohl den Hilfsorganisationen überlassen, auf deren Solidarität die Männer angewiesen waren.

Richard Sonnenfeldt konnte Indien als erster im April 1941 in Richtung USA verlassen. Seine Kameraden blieben länger in Indien. Was einige Männer jahrelang in Bombay hielt, lässt sich nur zum Teil mit den Gefahren Seekriegs und dem reduzierten zivilen Schiffsverkehr begründen. Für manch einen der 13 mag es andere Gründe gegeben haben, länger zu bleiben.

13 Dunera Boys – 13 Leben

Ausgehend von den in Dunera News veröffentlichten 13 Namen[13] Dunera News aao. und deren Abgleich mit den digitalisierten Personalakten im Australischen Nationalarchiv NAA wurden biografische Daten recherchiert und um Informationen aus dem Arolsen Archiv und von Genealogie-Plattformen ergänzt. Von Henry H. Kahn[14] Henry Kahn „The Silver Candle Holders“, aao. und Richard W. Sonnenfeldt[15] Richard W. Sonnenfeldt, „Mehr als ein Leben“, aao. liegen ausführliche Autobiografien vor. Entsprechend der Datenlage ist der Umfang der einzelnen Texte recht unterschiedlich geraten. dunera.de ist dankbar für jeden Hinweis, um die Infos zu ergänzen.

Walter Berliner
Er wurde am 3. April 1921 in Wien geboren. Im britischen Exil arbeitete als Helfer in der Landwirtschaft, nannte als seinen normalen Beruf aber Medizinstudent. Wie viele andere Juden und Flüchtlinge wurde er zunächst von einer Internierung befreit, später aber wurde der dann 19jährige verhaftet und deportiert. Von Bombay aus erreichte er New York auf der President Grant am 26. August 1941. Er wurde in den USA eingebürgert und leistete Wehrdienst bis September 1947. Er starb am 17. August 1989.

Otto Elefant
Der kaufmännische Angestellte wurde am 1. Februar 1899 in Wien geboren. Er war der älteste von drei jüdischen Brüdern (Emil *1905; Alexander *1911). In Wien führte er einen Lebensmittelhandel. Alle wurden nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Österreich am 24. Juni 1938 im KZ Dachau eingesperrt und im September 1938 nach Buchenwald überstellt. Sie hatten fortlaufende Häftlingsnummern und wurden am 15. Februar 1939 entlassen. Bereits im Juli 1938 hatten sie Auswanderungsanträge gestellt. Otto nannte dort seine Frau Therese (*1905, war zum Judentum übergetreten) und die Kinder Ottilie (*1927) und Vera (*1938) als Familienangehörige. Jedoch konnten nur die Brüder nach England ausreisen und im Kitchener Camp zusammenbleiben. Ottos Tochter Ottilie gelangte ebenfalls nach England, wo sie 1947 heiratete. Das Schicksal seiner Frau und des Babies Vera konnte nicht ermittelt werden. Zwei weitere Brüder Ottos und ihre Mutter wurden von den Nazis ermordet. Otto wurde vom britischen Pioneer Corps am 22. Mai 1940 aus medizinischen Gründen abgewiesen. Die Wege der Brüder trennten sich erst, als Otto nach Australien deportiert wurde. Die britische Entscheidung „Released without restrictions 16.8.1940“ half ihm nicht, denn die Dunera hatte ihr erstes Reiseziel in Australien fast erreicht. Von Bombay aus kehrte Otto erst am 4. Februar 1943 (über Mauritius mit Salomon Seide auf der Booskop) nach England zurück. Offizieller Vermerk: „Released on landing“. Weiteres ist nicht präzise feststellbar. Möglicherweise anglisierte Otto seinen Namen – wie Alexander und Emil – in Elton. Ein Otto Elton verstarb 1961 in Willesden, Middlesex.

Kurt Friedländer
Kurt wurde am 8. August 1905 in Treptow an der Rega (heute: Trzebiatów, Westpommern) geboren. Er war Verkäufer in der Textilbranche. Er wurde wahrscheinlich nach den Pogromen vom November 1938 verhaftet und war bis zum 15. Mai 1939 im KZ Sachsenhausen (Nr. 6480) inhaftiert. Er konnte nach England entkommen und kam im Kitchener Camp unter, bevor er deportiert wurde. Stammbaum-Seiten ist zu entnehmen, dass er nach dem Rauswurf von der Dunera in Bombay blieb, wo er 1965 verstarb. Seine Mutter Lina Helene wurde in Theresienstadt ermordet. Sein Bruder Henry wurde als „arbeitsscheuer Jude“ schon im Juni 1938 ins KZ Sachsenhausen (Nr. 1633, 1975) gebracht. Nach kurzem Aufenthalt in einem anderen Gefängnis wurde er im August 1939 zurückverlegt. Er starb am 26. April 1940 im KZ Sachsenhausen; die Nazis protokollierten „Zellgewebsentzündung an beiden Unterschenkeln“ als Todesursache. Von ihrer Schwester Editha fehlt die letzte Nachricht. Sie wurde für tot erklärt.

Hans Goldberger
Er wurde am 14. Februar 1915 in Saybusch (Danzig) geboren. In England nannte er den Holzhandel als sein angestammtes Berufsgebiet, war aber Student. Vor der Internierung wohnte er mit seinen Eltern, dem Geschäftsführer Isidore (*1882), der Mutter Anna (*1886) und seinem Bruder Edmund (*1910) in Sidmouth (Grafschaft Devon).

Heinz (Henry) Kahn
Heinz Kahn wurde am 18. Januar 1923 in Böblingen geboren. Deutschland konnte der 16jährige im Februar 1939 mit einem Kindertransport verlassen. In England nahm er den Vornahmen Henry an. Er wurde am 3. Juli 1940 interniert. Auf dem „Umweg“ über Australien in Bombay von Bord geschickt bekam er Dank jüdischer Organisationen eine erste Arbeit; später arbeitete er u.a. in Madras. An Bord der Clarksburg Victory reiste er im April 1946 in die USA, wo ein Verwandter lebte. Bis 1947 diente er in der US Army. 1948 folgte ihm seine Freundin Doreen aus Indien und sie heirateten. 1952 wurde er in den USA eingebürgert. Henry und Doreen hatten zwei Söhne und verbrachten ihr Leben in New York. Henry H. Kahn starb am 23. Mai 2018[16] Dunera News Nr. 105, aao..

Helmut Kobrak
Helmut wurde am 1. Oktober 1920 in Breslau in ein christliches Elternhaus geboren. Sein Vater, der Jurist Richard Julius Kobrak, wurde kurz darauf in Berlin zum Generaldezernenten für das Wohlfahrtswesen berufen. Die Kobraks wurden aufgrund jüdischer Vorfahren von den Nazis verfolgt, Richard verlor seinen Job und wurde zum 1. Januar 1936 zwangspensioniert. 1935 schlossen er und Helmuts Mutter Charlotte sich der christlichen Widerstandsbewegung Bekennende Kirche[17] Vgl. Berliner Stolperstein-Texte für Charlotte und Richard Kobrak, abgerufen am 5.5.2024. um Pastor Martin Niemöller an. In einer Berliner Gemeinde leisteten sie ehrenamtliche Sozialarbeit für verfolgte Christen mit jüdischen Wurzeln. Richard musste nach den Novemberpogromen zeitweise untertauchen. Für die Eltern hatte sich keine Fluchtmöglichkeit ergeben. Sie wurden im März 1943 nach Theresienstadt und von dort im Oktober 1944 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Helmut und seine Schwestern Toni (*1918) und Eva Maria (*1922) hatten die Kobraks mit einem Kindertransport nach England in Sicherheit bringen können. Helmut kehrte 1947 aus Indien nach England zurück. Er starb am 20. Februar 1994 in Kenton, Exeter.

Egon Lewy
In Köln am 15. März 1908 geboren studierte Egon Lewy Zahnmedizin an der Uni Bonn und hatte sein Diplom vor der Machtergreifung der Nazis erwerben können, so dass ihm im Gegensatz zu Dunera Boy Reinhard Waldsax sein Diplom nicht vorenthalten wurde. Rechtzeitig ging er nach England und eröffnete ab 1936 eine Praxis in London, wo er mit seiner 57jährigen Mutter Selma lebte. Wie und wann genau er von Bombay nach London zurückkehrte ist nicht bekannt. Dort heiratete er 1945. Er starb am 17. Juni 1979 in London.

Julius (John) Mann
Geboren am 6. April 1924 in Mainz war er mit 16 Jahren der zweitjüngste der 13. Er kam laut US-Einbürgerungsantrag aus Bombay über die Philippinen nach San Francisco, wo er auf der Chant am 5. Oktober 1941 eintraf. Im Juni 1942 beantragte er in New York die Einbürgerung in den USA und wurde zur US Army einberufen.

Gerd Moses
Mit erst 16 Lebensjahren geriet der in Berlin am 24. Mai 1924 Geborene in die Fänge des Systems britischer Spionage-Verdächtigungen. Bombay verließ er erst nach Kriegsende und traf im September 1945 an Bord der Nea Hellas in Glasgow ein. Seine nächste Station Buenos Aires erreichte er wenige Monate später auf der Treinmaersk. Von dort reiste er nach Chile, wo er sich in der Hauptstadt Santiago niederließ und 1960 Staatsbürger wurde. Dort war er zweimal verheiratet und hatte vier Kinder. Seine zweite Ehefrau verstarb bereits 1960. Gerd starb 2005 in Santiago.

Boris Paretzkin
Boris wurde am 29. September 1922 im sächsischen Chemnitz als Sohn des Fabrikanten Isaak Morduch Paretzkin geboren. Er kam offenbar allein nach England, wo er als einer der Jüngeren interniert und nach Australien deportiert wurde. Bombay konnte er auf der President Monroe am 26. Juni 1941 in Richtung USA verlassen. Dort teilte er sich laut Census 1950 in New York (Queens) eine Wohnung mit seiner 1893 in der heutigen Ukraine geborenen Mutter Julie. Sie war gemeinsam mit ihrem 1942 verstorbenen Mann und den Töchtern Eva und Vera 1940 in New York eingetroffen. Als Chemiker war er in einem Forschungsinstitut mit Arbeiten zur Strukturanalyse von Stoffen mittels Röntgenbestrahlung befaßt und an vielen Veröffentlichungen beteiligt. Er starb am 13. Mai 1994 in Washington.

Erich Rosenstock (Eric Ross)
Der am 16. Mai 1918 in Berlin geborene Erich wird während der Nazi-Volkszählung im Mai 1939 sowohl in Berlin als auch in Hamburg Eimsbüttel geführt, wo er wahrscheinlich eine Ausbildung als Dekorateur machte. Kurz nach den Novemberpogromen 1938 wurde er mit etwa 700 Hamburger Juden verhaftet und war vom 11. November bis zum 29. Dezember 1938 im KZ Sachsenhausen (Nr. 8676) hinter Gittern. Beim britischen Census von 1940 wurde er als Auszubildender in der Landwirtschaft erfasst. Das Manor Farm Training Centre nördlich von London bildete jüdische Jugendliche aus. Seine Karteikarte des britischen Home Office bestätigt das, nannte aber Seemann als seinen eigentlichen Beruf. Die Briten internierten ihn am 5. Juli 1940. Seine Weltkriegs-Teilnahme in der britischen Handelsmarine ehrten sie mit Medaillen für die Kampagnen in Afrika (1940-1943) und Italien (1943-1945). Er beantragte am 9. Dezember 1943 in Haifa die Einbürgerung in Palästina, wobei er wiederum Seemann als Beruf angab. Offensichtlich ging er bald nach England, wo er seinen Namen in Eric Ross änderte und in zweiter Ehe 1955 Maria Fuchs heiratete. Er verstarb 1976 und hinterließ vier Kinder.

Solomon (Sidney) Seide
Gesichert ist, dass er Bombay zusammen mit Otto Elefant und ab Mauritius an Bord der SS Boskoop im November 1942 verlassen hat; sie trafen in Liverpool am 4. Februar 1943 ein. Sein weiteres Leben in England ist nicht eindeutig belegbar. Eine jüdische Zeitung berichtet 1983 über die Beteiligung von Sidney Seide[18] In seiner Liste der 13 nennt Kahn "Sidney Seide", so dass die Identität von Sidney und Salomon angenommen wird. Vgl. Kahn, autobiografischer Text, aao., Seite 37. an einer Veranstaltung[19] The Jewish Chronicle, London extra am 6. Mai 1983, abgerufen am 5.5.2024.. Ein Sidney Seide war im britischen Wählerregister für Bushey, Hertfordshire, eingetragen. Dort starb er im Januar 2005.

Richard W. Sonnenfeldt
Richard ist der bekannteste der 13. Er wurde am 3. Juli 1923 in Berlin geboren. Er lebte mit seinen Eltern, den Ärzten Walther Herbert und Gertrud (geb. Liebenthal), und mit seinem jüngeren Bruder Helmut in Gardelegen (Altmark, heute Sachsen-Anhalt). Beide kamen im August 1938 mit einem Kindertransport nach England und wurden an der Bunce Court School, einem Schulprojekt für jüdische Flüchtlingskinder, untergebracht. Dort wurde er interniert und auf der Dunera mit vielen Schulkameraden nach Australien deportiert, um sich dann unerwartet in Bombay wiederzufinden. Mit einem US-Visum konnte er an Bord der President Madison, die am 26. April 1941 in New York eintraf, zu seinen Eltern nach Baltimore reisen. Er wurde US-Bürger und Ende 1943 zur Armee einberufen. 1945 engagierte der Militärgeheimdienst OSS den erst 22jährigen, um in Europa Verhöre von Nazis zu übersetzen. Anschließend wurde er US-Chefdolmetscher bei den Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozessen. Nach seiner Rückkehr machte er 1949 den Abschluss als Ingenieur. Für den Medienkonzern RCA patentierte er zahlreiche Basistechnologien des Farbfernsehens, das in den USA ab 1950 eingeführt wurde, und er war an der Vorbereitung der ersten Mondlandung beteiligt. Später übernahm er eine Führungsposition bei der RCA und wurde Executive Vice President von NBC. Er verstarb am 9. Oktober 2009 in Port Washington.


Hinweis: Für die Informationen über Häftlinge des KZ Sachsenhausen danken wir Frau Dr. Astrid Ley, Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen.

Fußnoten

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  • [1]Die Dunera Association nennt in ihrem Newsletter Nr. 37 (Seite 4) 13 Namen, zu deren Biografien hier recherchiert wurde.
  • [2]Bericht von Henry Kahn, Dunera News Nr. 105, Seite 19.
  • [3]Richard W. Sonnenfeldt, „Mehr als ein Leben“, Seite 107f. Sonnenfeldt trügt die Erinnerung, wenn er diesen Reiseabschnitt in Melbourne ansiedelt und bezüglich der Zahl der Internierten.
  • [4]Autobiografischer Text von Henry Kahn „The Silver Candle Holders“, US Holocaust Museum, Seite 37, abgerufen am 5.5.2024.
  • [5]Sonnenfeldt aao., Seite 107f.
  • [6]Sonnenfeldt nennt „Johnny“ einen besonders brutalen „geborenen Sadisten“.
  • [7]Henry Kahn „The Silver Candle Holders“, aao.
  • [8]Sonnenfeldt, aao.
  • [9]Zum einheitlichen Sprachgebrauch, auch in den zitierten Dokumenten, wird hier der britisch-koloniale Name der Stadt verwendet, die seit 1996 Mumbai heißt. Vgl. Wikipedia, abgerufen am 5.5.2024.
  • [10]Sonnenfeldt, „Witness to Nuremburg“, Seite 152. „To be dumped“ = zu entsorgen.
  • [11]
  • [12]Im Gegensatz zum Home Office bezeichnen Kahn und Sonnenfeldt die für sie tätige Hilfsorganisation als JRA.
  • [13]Dunera News aao.
  • [14]Henry Kahn „The Silver Candle Holders“, aao.
  • [15]Richard W. Sonnenfeldt, „Mehr als ein Leben“, aao.
  • [16]Dunera News Nr. 105, aao.
  • [17]Vgl. Berliner Stolperstein-Texte für Charlotte und Richard Kobrak, abgerufen am 5.5.2024.
  • [18]In seiner Liste der 13 nennt Kahn "Sidney Seide", so dass die Identität von Sidney und Salomon angenommen wird. Vgl. Kahn, autobiografischer Text, aao., Seite 37.
  • [19]The Jewish Chronicle, London extra am 6. Mai 1983, abgerufen am 5.5.2024.

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