Audioinstallation
„Der Reisende“

Wie Ulrich Alexander Boschwitz‘ zweites Buch „Der Reisende“ betitelt das Künstlerkollektiv Auricle (Berlin/London) seine dem Schriftsteller und seinem Werk gewidmete immersive Audio-Installation. 30 Minuten lang nehmen bis zu 16 Gäste in einem improvisierten Raum Platz. Die Spielfläche dient als Wohnung, als Straße, als Wartesaal, als Bahnabteil. Der Handlungsort wird deutlich, indem Monologe und Gespräche aus dem Buch mit Geräuschen, Sound- und Lichteffekten kombiniert werden. So kann man am Schicksal der Hauptfigur des Romans Otto Silberstein teilnehmen; die Stimmung der Judenverfolgung in Nazideutschland wird beklemmend erlebbar. Dazu tragen auch die Sprecher, vor allem die bekannten Schauspieler Samuel Finzi, Bjarne Mädel und Maja Schöne bei.

Ulrich Alexander Boschwitz hatte eine vielversprechende Karriere als Schriftsteller begonnen. Sein erster Roman erzählt über „Menschen neben dem Leben“ – die nach dem 1. Weltkrieg in den sogenannten Goldenen Zwanziger Jahren ins soziale Abseits geraten sind und dennoch versuchen, ihr Leben zu feiern. Beide Romane wurde erst 2018/2019 in deutscher Sprache verlegt.

„Der Reisende“ entstand in den ersten Wochen seiner Flucht vor den Nazis, die den damals 25jährigen Berliner 1935 mit seiner Mutter zunächst nach Schweden und später nach England führte. Dort wurden beide interniert. 1940 wurde Ulrich Boschwitz auf der Dunera nach Australien deportiert. 1942, auf der Rückreise nach England, wurde sein Schiff Abosso von einem deutschen U-Boot versenkt. Unter den Todesopfern war auch Ulrich Boschwitz. An ihn und seine Mutter erinnern Stolpersteine in Berlin-Wilmersdorf.

Die Berliner Präsentation wurde anlässlich der Tage des Exils 2023 gezeigt. Es handelte sich um eine Initiative der Körber-Stiftung in Kooperation mit der Stiftung Exilmuseum Berlin.

Peter Dehn, im September 2023.