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Familie Dehn

Heinz Dehn, Vater und Großvater der Betreiber dieser Website Peter und Paul Dehn, verlor sieben Familienangehörige im Holocaust. Auch ihre Schicksale sollen erzählt werden, obwohl die Informationen spärlich und keine Fotos überliefert sind.

Peter Dehn im Januar 2024

Eine Familie wird ausgelöscht

Heinz‘ Vater Leberecht Dehn[1] Eintrag des Standesamtes Danzig Nr. 3445 vom 1.3. 1856. wird am 3. Februar 1856 in Danzig geboren. Überliefert ist der Name seiner Mutter Adele[2] Eintrag des Berliner Standesamtes Nr. 1717 vom 17.7.1897., die am 11. August 1829 in Danzig geboren wurde. Ihre Tochter Clara, geboren 1851, und die Zwillinge Gustav und Adolph, geboren 1853, sterben im Kindesalter vor Leberechts Geburt. Ein Ehemann Adeles ist nicht bekannt. Adele stirbt am 15. Juli 1897 in Berlin; sie ist auf dem jüdischen Friedhof Berlin-Weissensee beigesetzt.

Leberecht Dehn

Leberecht Dehn führt zur Jahrhundertwende das „Centralbureau für Annoncen an Strassenbahnwagen[3] Berliner Adreßbuch von 1909, abgerufen auf der Website der ZLB am 10.5.2023.“, zuletzt in seiner Wohnung am Stuttgarter Platz 9. Das Unternehmen wurde 1904 unter Nr. 24541 ins Handelsregister[4] Gerichts-Mitteilungen in der Berliner Börsenzeitung Nr. 314 vom 7.7.1904. des Königlichen Amtsgerichts Berlin eingetragen. Ein jüngster Beleg für diese Firma ist der Eintrag im Adressbuch von 1909. Nach der Erzählung von Heinz muss Leberecht seine Firma vor dem 1. Weltkrieg aufgeben, weil er bei einem Eisenbahnunfall schwer verletzt wird. Dank einer hohen Entschädigung kann er Mietshäuser in Schöneberg und Charlottenburg kaufen, die seiner Familie einen gutbürgerlichen Lebensstandard ermöglichen. In Adressbüchern ab 1911 wird er als „Eigentümer“ oder „Rentier“ geführt.

Am 4.5.1904 inseriert Leberecht Dehn im „Generalanzeiger“ für Duisburg.
Quelle: Familienarchiv Dehn.

Weiter bekannt ist, dass er für die Liberale Partei für das Charlottenburger Parlament kandidierte[5] General-Anzeiger am 5.11.1911.. Allerdings verlor er wohl die direkte Wahl am 5. November 1911 gegen seinen Konkurrenten von der SPD um eine Differenz von nur 46 Stimmen[6] Vgl. Vorwärts vom 6.11.1911, Seite 3.. Der „Rentier Leberecht Dehn“ wird dort gleichwohl am 8. Dezember 1915 „bis zum Ablauf des Steuerjahres“ durch Losverfahren zum Mitglied der „Einkommensteuer-Veranlagungs-Kommission[7] Stadtverordneten-Versammlung Charlottenburg. Drucksache Nr. 178. „Übersicht der in der Sitzung am 8. Dezember 1915 gefassten Beschlüsse usw.““ bestimmt. Zumindest 1897 ist er zudem „Kassenrendant“ im Berliner Schachverein „Centrum“, der regelmäßig Meisterturniere veranstaltet.

Leberecht stirbt am 7. Januar 1928[8] Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung, Morgenausgabe; Familienanzeige, Seite 10.. Sein Grab ist auf dem jüdischen Friedhof[9] Friedhofskartei Weissensee, Grabstelle 60614032. in Berlin Weissensee.

Leberechts erste Frau ist Rosa Goldstein.[10] Heiratsurkunde des Standesamts Danzig Nr. 551/1884 vom 15.9.1884. Sie wird am 28. April 1862 in Danzig geboren, wo sie am 15. September 1884 heiraten. Er lebt bereits in Berlin und dorthin zieht auch Rosa. Sie haben zwei Kinder, Leo und Alice Emmi. Die Ehe wird am 8. Dezember 1897 vom Königlichen Landgericht I Berlin geschieden. Rosa stirbt am 5. April 1941[11] Sterbeeintrag Nr. 534 vom 7.4.1941. in Berlin an Herzlähmung und wird auf dem Friedhof Weissensee an der Seite ihres Sohnes Leo beigesetzt[12] Friedhofskartei Weissensee, Grabstelle 30312005..

Clara Philippson

Ein nächstes Lebenszeichen von Leberecht Dehn ist seine Verlobung mit Clara Anna Philippson, die am 28. April 1865 in Berlin[13] Heiratseintrag Nr. 590 vom 10.8.1900. geboren ist. Das wird per Zeitungsinserat „im August 1900“ am Ostseeort Ahlbeck (Mecklenburg) bekannt gegeben. Sie heiraten am 10. August 1900 in Berlin. Heinz Dehn[14] Geburtseintrag Nr. 1522/1905 des Standesamtes Charlottenburg. wird am 23. September 1905 als ihr einziges Kind in der elterlichen Wohnung in Charlottenburg[15] Charlottenburg war bis zur Eingemeindung in Groß-Berlin 1920 eine eigenständige Stadt und ist heute Teil des Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf., Stuttgarter Platz 9, geboren.

Das Schöneberger Miethaus muss während der Inflation verkauft werden. Das zweite Grundstück hinterlässt Leberecht Dehn Clara und seinen drei Kindern. Dieses Mietshaus muss Clara im April 1940 unter Wert verkaufen[16] Kaufvertrag vom 14.5.1940., um die faschistische Sondersteuer „Judenvermögensabgabe“ zu zahlen. Sie schreibt Heinz „daß ich die Judenabgabe nicht voll bezahlen konnte und beim Finanzamt auch Schulden hatte … So mußte ich das Haus verkaufen, da es mir sonst genommen worden wäre.“ Nun wartet sie auf den Kaufpreis. Sie schreibt[17] Brief von Clara an Heinz vom 10.12.1941 (Abschrift zwecks Anlage eines anwaltlichen Schreibens vom 27.1.1958 an das Berliner Entschädigungsamt). Heinz im Dezember 1941: „Ich bin immer noch in der Wohnung (nun in der Sybelstraße), habe aber mein Esszimmer und Schlafzimmer zusammengestellt, weil ich soviel vermieten[18] „Gutschrift wegen Kaiser Friedrichstr. 34“ vom 31. Juli 1941 zugunsten des Bankontos von Clara Dehn. muss.“

Vom vereinbarten Geldanteil des Kaufpreises von 59.118,12 Reichsmark werden nur 32.297,27 RM[19] Die Deutsche Bank behauptet 1952, Kontoauszüge seien im Krieg zerstört worden. Gleichwohl tauchen 1959 – nach 7 Jahren Recherchen und Briefwechsel – Kontoauszüge vom 28.2.1940 bis 8.7.1942 auf. überwiesen. Weiterer Besitz, darunter Wertpapiere, Schmuck und die von Heinz auf 13.750 Reichsmark geschätzte Einrichtung[20] Anlage zur Eidesstattlichen Erklärung von Heinz Dehn, Nr. 252/57 des Notars Jackier vom 25.7.1957. ihrer letzten Vierzimmer-Wohnung in der Sybelstraße 54, werden von der Nazi-Regierung enteignet und für die Kriegsfinanzierung zu Geld gemacht.

Clara Dehn wird am 31. August 1942 mit dem Transport I/55 Nr. 5703 nach Terezin deportiert. Sie wird von dort am 29. September 1942 (Transport Bs 327) in das Vernichtungslager Treblinka[21] Vgl. u.a. Gedenkbuch Berlin, Holocaust-Datenbank Yad Vashem und holocaust.cz. überstellt und dort ermordet.

Heinz‘ Geschwister Leo und Alice Emmi

Das ältere der beiden Kinder von Rosa und Leberecht ist Leo, am 29. Oktober 1885 in Berlin geboren. Im 1. Weltkrieg diente er als Freiwilliger[22] Stammrollen des Königreichs Bayern, Band 18039. im Armeeflugpark 6. Er nahm u.a. an mehreren Stellungsschlachten teil und wurde 1916 zum Unteroffizier befördert.

1923 erscheint sein Name im Berliner Handelsregister-im Eintrag der Firma Dehn & Wengel[23] HRB Eintrag NR. 30017 von 1923., Textil-Exportvertretungen GmbH. In den 1930er Jahren ist er als Hausverwalter tätig, wobei ihn sein Halbbruder Heinz zeitweise unterstützt.

Leo stirbt am 2. September 1936[24] Sterbeeintrag Nr. 387 vom 3.9.1936. im Alter von nur 50 Jahren. Heinz meldet das dem Standesamt und nennt die Rigaer Straße 88[25] Friedhofskartei Weissensee, Grabstelle 30312005. in Berlin-Friedrichshain als Sterbeort. Leo sei dort verstorben, als er an einer Wohnungstür verstorben die Miete kassieren wollte, ist durch Heinz überliefert. Leo ist in Weissensee beerdigt.

Alice Emmi Dehn[26] Geburtseintrag Nr. 2197vom 29.10.1888. wird als zweites Kind von Leberecht und Rosa am 22. Oktober 1888 in Berlin geboren. Sie arbeitet in einem Verlag, bevor sie Otto Stern[27] Heiratsurkunde Nr. 209 vom 28.2.1920. (geboren am 9. November 1877 in Siegburg bei Köln) am 28. Februar 1920 heiratet. Sie wohnen mindestens bis 1936 in der Seydelstraße in Berlin-Moabit. Sie müssen in eine „Judenwohnung“ in der Altonaer Straße 6 (heute: Hansaviertel) umziehen. Bis kurz vor ihrer Deportation bemühen sie sich, ihr Pelzhandelsgeschäft aufrecht zu erhalten, um einen bescheidenen Lebensunterhalt zu verdienen.

Am 9. Januar 1942 werden sie mit dem Transport Nummer IX/5676 ins Ghetto Riga deportiert. Am 1. Oktober 1944 wird Alice Emmi ins Todeslager Stutthof[28] Vgl. Mapping the Lives, abgerufen am 10. Mai 2023. überstellt, so sie angeblich am 8. Januar 1945 „gestorben“ ist. Otto wird wahrscheinlich ein Opfer der faschistischen Massenmorde im Ghetto Riga. An Alice Emmi und Otto erinnern Einträge des „Fensters der Erinnerung“. Es wurde 2018 im Eingang des U-Bahnhofs Hansaplatz in Berlin-Tiergarten, gegenüber der Altonaer Strasse 6, eingeweiht.

Ein unbeschriftetes Foto im Nachlass: Sind das Clara und Leberecht Dehn?
Quelle: Familienarchiv Dehn.
Der Stolperstein vor dem vor dem Haus Sybelstraße 54 in Berlin Charlottenburg erinnert an Clara Dehn. Foto: Dehn.
Ein ungewöhnlicher Gedenkort: An Alice Emmi und Otto erinnern Einträge im 2018 eingeweihten „Fenster der Erinnerung[29] Der Bürgerverein Hansaviertel e.V. initiierte diesen Gedenkort, abgerufen am 2.8.2023.“ im Entree der U-Bahnstation Hansaplatz in Berlin-Tiergarten. Foto: Peter Dehn.

Staatlicher Raubzug

Die Stadtverwaltung Berlin-Tiergarten listet am 23. Februar 1942 auf fünf Seiten akribisch das Eigentum auf, das Alice und Otto in ihrer letzten Moabiter Wohnung zurücklassen mussten. Der Wert wird auf 510 Reichsmark taxiert[30] Taxierungsprotokoll vom 23.2.1942.. Das Deckblatt vermerkt die Mieter handschriftlich als „abgeschoben“. „Aufgrund der Verlegung seines Wohnsitzes in das Ausland“ (und des Verlustes der Staatsangehörigkeit) ist der gesamte Besitz „am 19.1.1942 dem Reich verfallen“. Dazu gehört aufgrund der rassistischen Massenausplünderung auch eine Lebensversicherung der Sterns im Werte von 99,19 Reichsmark. Das meldet die Grossdeutsche Feuerbestattung V.V.a.G.[31] Schreiben der Versicherung vom 22.5.43. zu Berlin ordnungsgemäß dem Oberfinanzpräsidenten Berlin Brandenburg. Das Kürzel „a.G.“ steht offiziell für „auf Gegenseitigkeit“, hat aber seinen Wohlklang verloren. Der staatlich sanktionierte Raub jüdischen Eigentums[32] Setzt sich zusammen aus den Beträgen 4.420,45 RM (Konto Otto Stern), 8.339,30 RM (Sparbuch Alice Stern), 510,00 RM (Inventar der Wohnung), 99,19 RM (Lebensversicherung). summiert sich hier formal auf 13.368,99 Reichsmark.

Noch bis in den November 1943 datiert ein Streit zwischen der Deutschen Bank und der „Vermögensverwertungsstelle“ des Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg um die Bankguthaben der „unbekannt verzogenen“ Sterns. Vor einer Auszahlung des vom Staat beanspruchten Sparkontos auf Alices Namen erwartet die Bank die Vorlage des Sparbuchs oder eine Haftungserklärung. Das ist keine Form des Widerstands, sondern im Gegenteil nur eine Rückversicherung, weil die Bank keine Verantwortung für das Verbrechen übernehmen oder gar haften will. Teil des behördlichen Geschäftszeichens[33] Brandenburgisches Landeshauptarchiv Rep 36A Nr. 37216. ist die Kennzahl der Deportation IX/5676.

Heinz‘ Ehe mit Margot Bick und ihre Kinder

Am 1. April 1937 heiratet Heinz Dehn die Charlottenburger Kindergärtnerin Margot Bick[34] Heiratseintrag des Standesamtes Charlottenburg 1 Nr. 279 vom 1.4.1937., geboren am 19. Oktober 1912. Aus der Ehe gehen die Tochter Monika Ruth[35] Geburtseintrag des Standesamtes Wilmersdorf Nr. 1804 vom 24.9.1937. (geboren am 22. September 1937) und Sohn Denny[36] Geburtseintrag des Standesamtes Wilmersdorf Nr. 1641 vom 15.3.1940. (geboren am 12. März 1940) hervor.

Heinz entkommt nach seiner KZ-Haft mit Hilfe jüdischer Organisationen nach England – gerade zwei Wochen, bevor Hitler den Weltkrieg auslöst. Jedoch muss er seine Familie in Berlin zurücklassen. Seinen Sohn hat er nie gesehen, denn Denny wird erst nach Heinz‘ Abreise geboren. Mit dem Wissen von der bevorstehenden Reise und dem Bewußtsein, dass die Karte in Nazideutschland die Zensur durchläuft, schreibt Margot eine letzte Karte an Heinz nach Australien:

Mein Guter! Schnell noch will ich Dir vor unserer Reise schreiben wie es uns zumute ist. Ach Liebling ich weiß nicht mehr zu berichten. Bete für uns alle, besonders für die Kinder. Hab Kraft und denke immer an Deine dich sehr liebende und unglückliche Frau. Von den Kindern 1000 Küsse und von Muttel auch.“
Margot Dehn schrieb die letzte Postkarte an ihren Ehemann Heinz wenige Tage, bevor sie mit den Kindern und ihrer Mutter von den Nazis zum Ghetto Riga deportiert wurden. Sie wurden in einem Wald nahe der lettischen Hauptstadt ermordet. Quelle: Familienarchiv Dehn.

Die Familie und Margots Mutter Dora Hartmann (geb. Warschauer, verw. Bick) werden mit dem 21. Osttransport[37] Transportliste Ziffern 73 bis 75. am 19. Oktober 1942 – an Margots 30. Geburtstag – vom Güterbahnhof Berlin-Moabit aus nach Riga deportiert. Von den 962 Berliner Juden jeglichen Alters, darunter 209 Kindern, erreichen überhaupt nur 81 arbeitsfähige Männer das Getto Riga. Alle anderen werden noch am Ankunftstag, dem 22. Oktober 1942, in den Wäldern Rumbula oder Bikernieki nahe dem Ankunftsbahnhof Skirotava bei Riga erschossen[38] Yad Vashem, Datenbank der Deportationen, abgefragt am 10.5.2023.. Ihre Körper werden verscharrt[39] Vgl. Städtebündnis Deutsches Riga-Komitee, abgefragt am 10.5.2023.. An sie erinnern Stolpersteine in der Dahlmannstraße 10 in Berlin-Charlottenburg.

Wie die Stempel zeigen erreicht Margots Postkarte Sydney am 19. März 1943. Sie wird ins Internierungslager Tatura weitergeleitet und von dort zur australischen Armee, wo Heinz bereits seit Mitte November 1942 Dienst tut. Als Heinz die Karte in Händen hält, ist seine Familie ermordet. Davon weiß er jedoch nichts.

Margots Geschwister

In der Dahlmannstrasse 10, wenig entfernt von der Sybelstrasse, war die letzte freiwillig gemietete Wohnung von Margot, Dora und den Kinder Monika Ruth und Denny. Foto: Dehn.

Margots älterer Bruder Heinz Bick, geboren am 8. April 1906 in Kosten (Koscian, Polen), kehrt Deutschland wahrscheinlich schon während der „goldenen“ Zwanziger Jahre den Rücken. Er heiratet 1931 in Mexico[40] Der Heiratseintrag Nr. 135 vom 18.12.1931, Mexico DF, verweist u.a. auf Heinz Bicks Mutter Dora. Angela Trejo. Weiteres ist nicht bekannt. Margots Schwester und Trauzeugin Resy Bick, geboren in Kosten am 24. Januar 1908, kann vor Kriegsbeginn nach Chile entkommen. Dort stirbt sie am 18. März 1963 nach langer verfolgungsbedingter Krankheit in Santiago de Chile. Die Halbschwester Ilse Friedel Hartmann wird am 6. März 1918 in Breslau geboren. Sie übersteht die Nazizeit in der Illegalität und reist mit ihrem Mann Erich Blumenthal später ebenfalls nach Santiago de Chile[41] Vgl. Wiedergutmachungsakten Berlin B Rep 025-04-598-61 bis -600-61; WGA 45 392-62, WGA 45 644-61, WGA 45 1947-63., wo sie am 21. September 1995 verstirbt.

Nachtrag: Wiedergutmachung, Entschädigung?

Im Nachlass von Heinz Dehn und seiner zweiten Frau Ida findet sich ein Umzugskarton voller Akten. Diese betreffen wesentlich die Verfahren zur „Entschädigung“ und „Wiedergutmachung“ für die Verbrechen der Nazis an ihnen und ihren Familien. Die mit der Umsetzung der entsprechenden Gesetze in Westberlin und der Bundesrepublik befassten Ämter und Gerichte versuchen vielfach, angemeldete Ansprüche zu drücken. Die Antragsteller müssen bis ins Detail Beweise beibringen, etwa zum Wert von Schmuck, Wertsachen, Konten, Wohnungseinrichtungen usw., die der deutsche Staat Juden gestohlen hatte. In vielen Fällen sind Beweismittel aber nicht verfügbar, weil im Krieg vernichtet. Zudem haben viele Antragsteller, die die Nazijahre im Ausland überstanden hatten, naturgemäß Schwierigkeiten, die gewünschte Dokumente fristgemäß zu beschaffen. Verlangte Eidesstattliche Erklärungen müssen bei deutschen Konsulaten – die es nicht überall gibt – beeidigt werden. Fehlende Dokumente und – durch das internationale Hin und Her – verpasste Fristen werden von den Behörden zum Nachteil der Antragsteller ausgelegt. So verlangt ein Berliner Amt von Heinz Dehn einen Beweis dafür, dass es in Australien keine Pressemeldungen über die entsprechenden deutschen Gesetze und Fristen gegeben habe.

Unzureichende Vorschriften, Bürokratie, Schikanen der wieder (oder: immer noch?) mit Nazis durchsetzten Behörden haben die im Ausland lebenden Naziopfer besonders belastet und zu teils jahrzehntelangen – für die Antragsteller zermürbenden – Verfahren um Renten, Schadenersatz-Zahlungen usw. geführt. Das betrifft im Grunde viele der Naziopfer. Beispielhaft steht der Umgang der Behörden mit der Familie Nussbaum und Ernst Friedlich.

Ist es überhaupt möglich, Massenmord wiedergutzumachen oder
für den systematischen Raub durch den Staat zu „entschädigen“?

Hinweis: Soweit nicht anders angegeben sind die genannten Quellen Teil des Familienarchivs Dehn.

Fußnoten

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  • [1]Eintrag des Standesamtes Danzig Nr. 3445 vom 1.3. 1856.
  • [2]Eintrag des Berliner Standesamtes Nr. 1717 vom 17.7.1897.
  • [3]Berliner Adreßbuch von 1909, abgerufen auf der Website der ZLB am 10.5.2023.
  • [4]Gerichts-Mitteilungen in der Berliner Börsenzeitung Nr. 314 vom 7.7.1904.
  • [5]General-Anzeiger am 5.11.1911.
  • [6]Vgl. Vorwärts vom 6.11.1911, Seite 3.
  • [7]Stadtverordneten-Versammlung Charlottenburg. Drucksache Nr. 178. „Übersicht der in der Sitzung am 8. Dezember 1915 gefassten Beschlüsse usw.“
  • [8]Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung, Morgenausgabe; Familienanzeige, Seite 10.
  • [9]Friedhofskartei Weissensee, Grabstelle 60614032.
  • [10]Heiratsurkunde des Standesamts Danzig Nr. 551/1884 vom 15.9.1884.
  • [11]Sterbeeintrag Nr. 534 vom 7.4.1941.
  • [12]Friedhofskartei Weissensee, Grabstelle 30312005.
  • [13]Heiratseintrag Nr. 590 vom 10.8.1900.
  • [14]Geburtseintrag Nr. 1522/1905 des Standesamtes Charlottenburg.
  • [15]Charlottenburg war bis zur Eingemeindung in Groß-Berlin 1920 eine eigenständige Stadt und ist heute Teil des Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf.
  • [16]Kaufvertrag vom 14.5.1940.
  • [17]Brief von Clara an Heinz vom 10.12.1941 (Abschrift zwecks Anlage eines anwaltlichen Schreibens vom 27.1.1958 an das Berliner Entschädigungsamt).
  • [18]„Gutschrift wegen Kaiser Friedrichstr. 34“ vom 31. Juli 1941 zugunsten des Bankontos von Clara Dehn.
  • [19]Die Deutsche Bank behauptet 1952, Kontoauszüge seien im Krieg zerstört worden. Gleichwohl tauchen 1959 – nach 7 Jahren Recherchen und Briefwechsel – Kontoauszüge vom 28.2.1940 bis 8.7.1942 auf.
  • [20]Anlage zur Eidesstattlichen Erklärung von Heinz Dehn, Nr. 252/57 des Notars Jackier vom 25.7.1957.
  • [21]Vgl. u.a. Gedenkbuch Berlin, Holocaust-Datenbank Yad Vashem und holocaust.cz.
  • [22]Stammrollen des Königreichs Bayern, Band 18039.
  • [23]HRB Eintrag NR. 30017 von 1923.
  • [24]Sterbeeintrag Nr. 387 vom 3.9.1936.
  • [25]Friedhofskartei Weissensee, Grabstelle 30312005.
  • [26]Geburtseintrag Nr. 2197vom 29.10.1888.
  • [27]Heiratsurkunde Nr. 209 vom 28.2.1920.
  • [28]Vgl. Mapping the Lives, abgerufen am 10. Mai 2023.
  • [29]Der Bürgerverein Hansaviertel e.V. initiierte diesen Gedenkort, abgerufen am 2.8.2023.
  • [30]Taxierungsprotokoll vom 23.2.1942.
  • [31]Schreiben der Versicherung vom 22.5.43.
  • [32]Setzt sich zusammen aus den Beträgen 4.420,45 RM (Konto Otto Stern), 8.339,30 RM (Sparbuch Alice Stern), 510,00 RM (Inventar der Wohnung), 99,19 RM (Lebensversicherung).
  • [33]Brandenburgisches Landeshauptarchiv Rep 36A Nr. 37216.
  • [34]Heiratseintrag des Standesamtes Charlottenburg 1 Nr. 279 vom 1.4.1937.
  • [35]Geburtseintrag des Standesamtes Wilmersdorf Nr. 1804 vom 24.9.1937.
  • [36]Geburtseintrag des Standesamtes Wilmersdorf Nr. 1641 vom 15.3.1940.
  • [37]Transportliste Ziffern 73 bis 75.
  • [38]Yad Vashem, Datenbank der Deportationen, abgefragt am 10.5.2023.
  • [39]Vgl. Städtebündnis Deutsches Riga-Komitee, abgefragt am 10.5.2023.
  • [40]Der Heiratseintrag Nr. 135 vom 18.12.1931, Mexico DF, verweist u.a. auf Heinz Bicks Mutter Dora.
  • [41]Vgl. Wiedergutmachungsakten Berlin B Rep 025-04-598-61 bis -600-61; WGA 45 392-62, WGA 45 644-61, WGA 45 1947-63.

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