Als ein Freund von diesem Webprojekt über das jüdische Exil in Australien hörte, nannte er den Namen Josef Ganz. Wie eine schnelle Recherche ergab, kann der jüdische Ingenieur als einer der Erfinder des VW Käfer angesehen werden. Dass er davon nicht selbst profitierte, sondern vergessen wurde, dass Volkswagen sich den Markennamen sicherte und andere den Ruhm einheimsten, ist vor dem Hintergrund des 30. Januar 1933 zu sehen. Die, wie man heute sagen würde, „Mobilitätspolitik“ der Hitler-Diktatur drängte den jüdischen Ingenieur aus dem Geschäft, zwang ihn zur Flucht in die Schweiz und strich ihn aus der öffentlichen Wahrnehmung. 1951 ging Josef Ganz nach Australien. Dieser Beitrag will helfen, Leben und Werk des Josef Ganz aus der von den Nazis geschaffenen Tabuzone zu entreißen, obwohl er erst lange nach dem Weltkrieg nach Australien kam.
Peter Dehn im Januar 2024.
Der Mann, der das Käfer-Konzept erdachte
War eine Facette des Berufswegs für Josef Ganz vorgezeichnet? Er wurde am 1. Juli 1898 in Budapest geboren. Sein Vater Hugo Markus Ganz[1] Vgl. Wikipedia über J. Ganz, abgerufen ab 10.9.2023. (1862 – 1922) stammte aus Mainz, er arbeitete als Korrespondent der „Frankfurter Zeitung“ für Ungarn. Josefs Mutter war Maria, geborene Török (1872 – 1926). Die Familie zog mit Josef und seiner älteren Schwester Margarete (1893 – 1975) über Wien nach Frankfurt am Main. Der junge Mann ließ sich vom Patriotismus einfangen, wurde 1916 eingebürgert und meldete sich freiwillig zum kaiserlichen Weltkriegsheer, das ihn auf dem Flugplatz Warnemünde[2] Info wurde aus dem Film „Die wahre Geschichte des VW-Käfers“ von Suzanne Raes, 2019. Soweit später Infos aus dem Film verwendet werden, wird auf eigene Referenzierung verzichtet. stationierte.
Die „Motor-Kritik“ war für Josef Ganz die Plattform seiner Kritik an den Strategien der Autoindustrie.
Fachjournalist …
Schon als 12jähriger Gymnasiast näherte Josef Ganz sich einer seiner späteren Berufungen: Er bekam 1910 das Patent für eine Schutzvorrichtung an elektrischen Straßenbahnen erteilt. Nach dem 0Weltkrieg studierte Maschinenbau in Wien und Darmstadt. Mit dem Diplom in der Tasche begann er ab 1926 seinen Berufsweg in der Automobilbranche.
Zugleich wurde die Presse das zweite Aktionsfeld von Josef Ganz. Als Journalist beobachtete er – ab 1928 als Chefredakteur der Fachzeitschrift „Motor-Kritik“ – die Branche mit teils scharfer Feder nach dem Motto „Ohne Kritik kein Fortschritt“. Gegen den Trend der Branche zu großen, schnellen und teuren PKWs propagierte er kleine, leichte und für jedermann erschwingliche Autos. Die „Motor-Kritik“ entwickelte sich erfolgreich. Josef Ganz bekam auch Aufträge aus der Branche. Nazi-Publikationen[3] Vgl. Armin Fuhrer „Porsche war es nicht …“, Focus online, abgerufen am 20.9.2023. diffamierten den kompetenten Konstrukteur und Fachjournalisten hingegen schon frühzeitig als „jüdischen Schädling“.
… und Autopionier
Parallel entwickelte Josef Ganz eigene Fahrzeuge. 1930 konnte er einen ersten Prototyp bei der Nürnberger Firma Ardie bauen lassen. Ein zweiter Prototyp – später von ihm „Maikäfer“ getauft (der „Käfer“ steckte schon drin!) – veranlasste die Firma Adler, Ganz als technischen Berater zu engagieren. „Entwicklungshilfe“ leistete er auch für Mercedes und BMW.
1931 hatte er für Bungartz & Co den Zweisitzer Butz[4] Vgl. Wikipedia über den Butz, abgerufen am 20.9.2023. entwickelt. Die Münchner Firma war auf kleine Leichtbau-Autos spezialisiert. Bis 1934 wurden nur wenige Exemplare des 14 PS-Cabrios mit Sperrholz-Karosse gebaut. Ab 1932 entwickelte Josef Ganz für die Firma Standard in Ludwigsburg. Sein überarbeiteter „Maikäfer“ wurde im Februar 1933 auf der „23. Internationalen Automobil-und Motorrad-Ausstellung“(IAMA[5] Vgl. Wikipedia,über die IAMA, die seit 1897 – bis 1939 überwiegend in Berlin – veranstaltet wurde (heute: IAA) abgerufen am 15.9.2023.) in Berlin vorgestellt und – unter anderem von der „ADAC-Motorwelt“ – gefeiert. Der Kleinwagen kam als „Standard Superior“ für nur 1.590 Reichsmark auf den Markt und wurde als der „deutsche Volkswagen“ beworben.
Hitlers Volks-Beruhigungswagen
Die Nationalsozialisten waren sehr daran interessiert, die Entwicklung von Autos voranzutreiben. Hitler selbst hatte zur Eröffnung der Berliner Autoausstellung 1933 ein viersitziges „Volksauto“ für unter 1.000 Reichsmark gefordert. Eine Skizze, die Hitler später persönlich angefertigt haben soll, ähnelte Ganz‘ Karosserie-Entwürfen.
Offenkundig hatte Ganz also Eindruck bei den Nazispitzen hinterlassen, der jedoch für ihn nicht günstig war. Im Gegenteil: Am 21. Mai 1933 verhaftete die Gestapo Josef Ganz nach einer Denunziation[6] Vgl. Website Josef Ganz (englisch), abgerufen am 15.9.2023. aus der Autoindustrie. Sein Büro in Frankfurt wurde durchsucht und diverse Unterlagen mitgenommen, berichtete der Journalist und Konstrukteur später. Einen Monat lang wurde er im Gefängnis Berlin-Moabit festgehalten.
Josef Ganz 1932 mit seinem „Maikäfer“-Prototypen.
Lange, bevor an ein VW-Werk zu denken war, wurde der Standard Superior als „Volkswagen“ beworben.
„Die Denunzianten kommen“
Ein paar Tage nach der Verhaftung, am 6. Juni 1933, titelte eine österreichische Zeitung: „Schutzhaft der Motorkritik“. Sie griff am Schluss einen Ganz-Artikel auf:
„Ein(en) Monat vor seiner Verhaftung zitierte er in der Motorkritik in schwarzumrandeter Fußnote, sozusagen als eigenen Partezettel[7] In österreichischem Sprachgebrauch eine Familienanzeige., den Herrn Göring: ‚In diesen Tagen kommen sie, die Denunzianten, da klagen sie den oder jenen an, aus Konkurrenzneid und ähnlichen Beweggründen heraus.‘ Beide haben recht behalten: Göring und Ganz.“
„Der Morgen“ am 6. Juni 1933[8] „Der Morgen“ vom 6.6.1933, Seite 18, Österreichische Nationalbibliothek, abgerufen am 15.9.2023..
Das Blatt spielte damit auf Denunziationen aus der Autobranche an, die zur Verhaftung geführt haben sollten, um sich eines unbequemen wie kompetenten Kritikers zu entledigen.
Der Journalist verlor seinen Posten als Chefredakteur, konnte aber noch einzelne Artikel veröffentlichen. Seine jüdische Herkunft kam den Nazis dann gerade recht für ein Veröffentlichungsverbot, er wurde mundtot gemacht. Dann kündigten Adler, Mercedes und andere Kunden „mit Bedauern“ ihre Aufträge. So wurde Josef Ganz der Lebensunterhalt entzogen. Sein Name war fortan tabu. Im März 1934 zieht Josef Ganz die Konsequenz und flieht aus Deutschland.
Vom Superior zum KdF-Auto
Das Interesse der Nazis an einem billigen Kleinwagen hatte einen militärischen Hintergrund ebenso wie populistische Aspekte. Zum einen wollten die Nazis über kurz oder lang den Zulassungsrekord der USA angreifen und ihr Reich als Heimstätte allgemeinen Wohlstands propagieren. Zum anderen ging es sicherlich auch darum, einen zivilen Nutzen für die militärische Logistik-Plattform der „Reichsautobahnen“ zu behaupten.
Um den zivilen Charakter eines Autos für die Massen zu unterstreichen schickten die Nazis ihre „Kraft durch Freude“- Organisation (KdF) vor. Diese war Teil der „Deutschen Arbeitsfront“ (DAF), unter deren Dach die Nazis Gewerkschaften und Industrieverbände gleichgeschaltet hatten. Lange bevor 1938 der Grundstein des späteren VW-Werkes gelegt wurde, wurde das noch gar nicht produzierte „KdF-Auto“ mit dem Slogan „Fünf Mark die Woche musst Du sparen – willst Du im eignen Wagen fahren“ beworben. 340.000 zinslose Sparverträge spielten bis zu 258 Mio. Reichsmark in die KdF-Kassen[9] Wikipedia über den KdF-Wagen, abgerufen am 20.9.2023., die wahrscheinlich der Finanzierung des Krieges dienten.
Die Nazis hatten Ferdinand Porsche 1934 beauftragt, einen „Volkswagen“ zu entwickeln. Ähnlich dem „Volksempfänger“ sollte ein preiswertes Auto einen Massenmarkt für Autos schaffen. Den Begriff „Volkswagen“ sollen andere Hersteller schon viel länger benutzt haben. Ein Gericht stellte zwar fest, dass Béla Barény wichtige technische Grundlagen für den späteren „Käfer“ entwickelt hatte – und eben nicht Ferdinand Porsche. Dessen Konzept folgt dem von Ganz allerdings auffällig: Heckmotor, Zentralrohrrahmen, Schwingachsen, die stromlinienförmige Karosserie … Daher sprechen mehrere Autoren Josef Ganz das Konzept des VW „Käfer“ oder zumindest einen großen Anteil[10] Vgl. Wikipedia über Ganz aao daran zu.
Mit der Zeile „10 Jahre nationalsozialistische Aufbauarbeit“ warben die Nazis Anfang 1943 für das zwar vielfach schon bezahlte, aber nie gelieferte „KdF-Auto“. Quelle: Bundesarchiv 146-1979-025-30A.
Erst 1937 wurde der Grundstein für das riesige Werk samt einer „Stadt des KdF-Wagens[11] Seit Mai 1945 Wolfsburg nach einem nahegelegenen Schloss.“ im Nichts, etwa 26 km entfernt von Braunschweig, gelegt. Finanziert wurde der Bau durch beschlagnahmte Gelder der Gewerkschaften im DAF-Budget. Jedoch wurden nur 630 „KdF-Autos“ gebaut. Sie wurden, von ein paar Propagandastücken abgesehen, an die Wehrmacht geliefert. Statt propagierter 150.000 „Käfer“ pro Jahr fürs Volk wurden ab 1940 auf dessen Fahrgestell-Konzept 50.788 „Kübelwagen“ und 14.276 Schwimmwagen für die Wehrmacht montiert. Auf dem Werksgelände[12] Wikipedia über das VW Werk, abgerufen am 15.9.2023. wurde u.a. auch der Marschflugkörper V1 gefertigt. Im Betrieb arbeiteten 20.000 Zwangsarbeiter, darunter Häftlinge, für die VW zwei KZs bauen ließ.
Überleben in der Schweiz
Zurück zu Josef Ganz, der einige Zeit in Wien tätig war. Dort berichtete die Presse interessiert über sein Konzept eines leichten Autos[13] „Salzburg Chronik“ vom 10.7.1934, Seite 4, Österreichische Nationalbibliothek, abgerufen am 12.9.2023. unter 300 kg Gewicht mit Mittelmotor. Der Handelspreis wurde auf etwa 3.500 Schilling kalkuliert. Das Projekt wurde jedoch nicht weiterverfolgt.
Dann ging Ganz in die Schweiz. 1936 erreichte ihn dort die Warnung eines Freundes. Seine Patente könnten ihm genommen werden, um Lizenzzahlungen an einen Juden für des „Führers“ Lieblingsprojekt „KdF-Wagen“ zu verhindern. Ganz fuhr nach Frankfurt, um seine Unterlagen und Patente zu retten. Er hatte Glück und wurde an der deutschen Grenze nicht kontrolliert. 1938 wurden ihm wie tausenden Juden die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen und das Vermögen weggenommen. Ganz verlor die Einnahmen aus seinen zahlreichen in Nazideutschland registrierten Patenten.
In der Schweiz fand er Arbeit bei Rapid Motormäher. Der auf kleine Fahrzeuge spezialisierte Hersteller zeigte 1946 die Ganz-Entwicklung „Rapid[14] Wikipedia über Rapid, abgerufen am 15.9.2023.“. Der Einzylinder-Heckmotor mit auf die Hinterachse wirkendem Dreiganggetriebe, jedoch ohne Differential, setzte das Konzept des Standard Superior fort. Nur 36 Exemplare des Zweisitzer-Cabrios wurden 1947 gebaut und für 3.600 Franken verkauft.
Ganz war auch an der Konstruktion des Zweierbobs[15] Vgl. Blick Online vom 1.5.2023, abgerufen am 17.1.2024. beteiligt, mit dem das Schweizer Nationalteam bei Olympia 1948 in St. Moritz die Silbermedaille errang.
Nach dem Krieg bemühte sich Ganz um Zugriff auf seine Patente. Auch musste er sich gegen Nazi-Sympathisanten und Neider in der dortigen Autobranche wehren. Wegen zahlreicher Gerichtsverfahren wurde Ganz als Querulant verrufen und 1951 ausgewiesen.
Die Produktion des nun „Volkswagen“ und später „Käfer“ genannten KdF-Auto lief mit Unterstützung der britischen Besatzungsmacht bald wieder auf Hochtouren, während Name und Verdienste von Josef Ganz in Deutschland weiter verschwiegen wurden.
Zuflucht in Australien
Josef Ganz verließ die Schweiz, wo er auch seine langjährige Lebensgefährtin zurückließ. Im Juni/Juli 1951 absolvierte er in Paris die vorgeschriebenen Untersuchungen für eine befristete Aufenthaltserlaubnis in Australien. Von Marseille kommend traf er mit der Chang Chow am 17. September 1951 in Sydney ein. In Melbourne wohnte er im Stadtbezirk St. Kilda, einem Zentrum der jüdischen Immigration. Am 7. März 1962 wurde er Staatsbürger[16] Dokumente zur Einreise und Naturalisierung von Josef Ganz im Nationalarchiv Australien (NAA), NAA_ItemNumber12136285. seines Gastlandes.
Bis zum Rentenalter arbeitete er für den Autohersteller Holden[17] Vgl. Wikipedia über Holden, abgerufen am 20.9.2023.. Er schlug ein australisches Volksauto vor, das nur 400 Pfund kosten sollte. Holden vermarktete ab den 1950er Jahren zwar eigene Entwicklungen für den Heimatmarkt und Asien. Es zeichnete sich jedoch ab, dass diese australische Dependance von General Motors das finanziell attraktivere Geschäftsmodell der Baukasten-Fertigung von Karosserien für US-Fahrgestelle umsetzen sollte – bis die Produktion 2017 ganz eingestellt wurde.
Josef Ganz wird 1953 naturalisiert und damit australischer Staatsbürger. Quelle: Naturalisierungsakte im Nationalarchiv Australiens NAA_ItemNumber12136285, Blatt 15.
Josef Ganz Mitte der 1940er Jahre. Quelle: Wikipedia (CC BY-SA 3.0).
Im August 1955 feierte man mit viel Pomp die Auslieferung des 1 Mio.sten Käfers. Das erfuhr Josef Ganz aus Zeitungen und sah, wie andere Dank seiner Vorarbeiten berühmt wurden. Was mag ihn bewegt haben? Das VW-Werk hatte natürlich die Namen des Konstrukteurs Ferdinand Porsche und des Konzernchefs Heinrich Nordhoff kommuniziert. Der Name Josef Ganz wurde nicht erwähnt, blieb weiter tabu.
Erst Jahre später erinnerte man sich in der Wolfsburger Chefetage an den Konstrukteur: „Mit der glühenden Überzeugung eines Missionars griff Josef Ganz in Motor-Kritik die alten und etablierten Autokonzerne mit beißender Ironie an“, wird VW-Chef Nordhoff[18] Zit. o.J. nach „Josef Ganz“ aao. zitiert.
Umso unerwarteter traf Post aus Wolfsburg in Melbourne ein: Nordhoff ludt am 28. Februar 1961 Josef Ganz ein, für VW zu arbeiten. Dieser schien „mit 63 (an) einer Tätigkeit im Schatten eines wohlwollenden Meisters an einem Werk, das der Maikäfer-Idee die Welt zu erschließen half“ durchaus interessiert. Jedoch erlitt Josef Ganz kurz vor der Abreise nach Deutschland einen Herzinfarkt. Seither war er arbeitsunfähig und litt unter Depressionen. Er war desillusioniert, konnte aber noch einen großen Beitrag über seine Geschichte in einer australischen Autozeitschrift anregen.
Ist der Holocaust verjährbar?
Eine späte Anerkennung seiner von den Nazis gestohlenen Arbeit für die deutsche Autobranche hatte ihm die Bundesrepublik Deutschland 1965 zugedacht. Josef Ganz sollte mit dem Bundesverdienstkreuz[19] Deutsche Botschaft an Außenministerium Australiens am 108.10.1965, zit n. Nationalarchiv Australien NAA, NAA_ItemNumber3349216. 1. Klasse gewürdigt werden. In einer Mitteilung an das australische Außenministerium begründet die deutsche Botschaft das: „Als Redakteur der Zeitschrift ‚Motor-Kritik‘ von 1928 bis 1934 hat Herr Ganz reges Interesse an der Entwicklung eines deutschen Volkswagen gezeigt und, mit anderen Ingenieuren wie Professor Porsche, leistete er einen großen Beitrag, um das Projekt umzusetzen.“ Die Botschaft hob auch einige technische Ideen von Josef Ganz hervor, die „die deutsche Autoindustrie enorm voranbrachten“.
Jedoch verbot die australische Regierung ihrem Bürger Josef Ganz, die hohe Auszeichnung entgegen zu nehmen. Die Annahme ausländischer Ehrungen[20] Antwort des Außenministeriums Nr. 1535/25/17 vom 1.12.1965 und Brief des Ministerpräsidenten vom 24.11.1965, ebd. sei nach den Regularien zu untersagen, wenn „die anzuerkennende Leistung mehr als fünf Jahre vor der Frage des Anspruchs auf Erteilung der Genehmigung vollständig erbracht worden ist. Herr Ganz hat seit 1934 keinen Dienst für die deutsche Industrie erbracht“, kommentierten australische Stellen. Mit anderen Worten: Australiens Regierung verhinderte eine bescheidene moralischer Wiedergutmachung, weil die Verbrechen der Nazis mehr als fünf Jahre zurücklagen. Als hätte das jüdische Opfer vom Nationalsozialismus nicht genug erlitten, wurde der um sein Werk Beraubte und aus seiner Heimat Vertriebene nun um die verdiente späte Anerkennung und Ehrung gebracht.
Ist der Holocaust verjährbar?
In Australien darf man keine ausländische Auszeichnung annnehmen, wenn die Verdienste zu lange her sind. Quelle: NAA-Akte NAA_ItemNumber12136285,
Eine Nachbarsfamilie unterstützte nun den kranken und verarmten Mann in seinem Alltag. Am 26. Juli 1967 starb Josef Ganz in Melbourne. Seit 2017 erinnert eine Plakette über prominente Bewohner seines letzten Wohnhauses an den Autopionier[21] Zit. nach „Josef Ganz“ aao..
Erinnerungen an einen vergessenen Auto-Entwickler
Verwandten in der Schweiz[22] Wikipedia über den Australischen Dollar, der 1966 das auf dem karolingisch-britischen System basierende Pfund ersetzte. hinterließ er sein Archiv und 3.000 Australische Dollar Schulden. Die Erben konnten die Schulden bezahlen, sonst hätten sie das Erbe ausschlagen[23] Vgl. Fussnote 2. müssen. Ganz hatte Briefe, Unterlagen, Zeichnungen usw. auf Mikrofilm kopieren lassen. Nun gingen die umfangreichen Materialien nach Europa. Josef Ganz war ein begeisterter Fotoamateur. Zu seinem Nachlass gehört ein umfangreiches Fotoarchiv mit Aufnahmen aus dem beruflichen wie privaten Bereich. Sogar im Knast in Berlin-Moabit soll er heimlich fotografiert haben.
Mehr als ein Jahr nach seinem Tod benötigten australische Behörden[24] Die Dokumente sind im Nationalarchiv Australien, NAA_ItemNumber12136285, aufbewahrt. von Anfang Juli bis Ende November 1968 für die Beschaffung einer Unterlage, um einem Lebensversicherer das korrekte Geburtsdatum von Josef Ganz zu bestätigen. Die Verzögerung sei „außerhalb dieser Abteilung“ verursacht worden endet das letzte archivierte Schreiben des Briefwechsels.
Der Niederländer Paul Schilperoord und der Schweizer Lorenz Schmid, ein Nachkomme von Josefs Onkel Alfred Ganz, beschäftigen sich seit langem mit Werk und Leben von Josef Ganz. Daraus sind u.a. ein Buch[25] Paul Schilperoord „Die wahre Geschichte des VW-Käfers. Wie die Nazis Josef Ganz die VW-Patente stahlen“, Mannheim 2011, ISBN 978-3719315658, 240 Seiten., ein Dokumentarfilm[26] Die wahre Geschichte des VW-Käfer, Dokumentarfilm von Suzanne Raes, 2019, Koproduktion NL/D, abgerufen am 10.8.2023. mit Beteiligung des WDR und eine Website[27] josefganz.org, abgerufen am 25.9.2023. entstanden. Schilperoord und Schmid gelang es, zwei Rudimente des Standard Superior aus Scheunen zu holen. Auf dieser Grundlage wurde ein „Standard“ fahrfähig rekonstruiert. Einen „Rapid“ besitzt das Verkehrshaus der Schweiz in Luzern, einen weiteren die Louwman Collection, Den Haag. Ein „Maikäfer“-Prototyp ist im Museum Central Garage Bad Homburg zu sehen.
Hinweis: Einige Informationen dieses Beitrags wurden dem oben genannten Dokumentarfilm oder der Josef Ganz-Website entnommen. Nicht alle Fundstellen sind hier einzeln referenziert.
Fußnoten
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- [1]↑Vgl. Wikipedia über J. Ganz, abgerufen ab 10.9.2023.
- [2]↑Info wurde aus dem Film „Die wahre Geschichte des VW-Käfers“ von Suzanne Raes, 2019. Soweit später Infos aus dem Film verwendet werden, wird auf eigene Referenzierung verzichtet.
- [3]↑Vgl. Armin Fuhrer „Porsche war es nicht …“, Focus online, abgerufen am 20.9.2023.
- [4]↑Vgl. Wikipedia über den Butz, abgerufen am 20.9.2023.
- [5]↑Vgl. Wikipedia,über die IAMA, die seit 1897 – bis 1939 überwiegend in Berlin – veranstaltet wurde (heute: IAA) abgerufen am 15.9.2023.
- [6]↑Vgl. Website Josef Ganz (englisch), abgerufen am 15.9.2023.
- [7]↑In österreichischem Sprachgebrauch eine Familienanzeige.
- [8]↑„Der Morgen“ vom 6.6.1933, Seite 18, Österreichische Nationalbibliothek, abgerufen am 15.9.2023.
- [9]↑Wikipedia über den KdF-Wagen, abgerufen am 20.9.2023.
- [10]↑Vgl. Wikipedia über Ganz aao
- [11]↑Seit Mai 1945 Wolfsburg nach einem nahegelegenen Schloss.
- [12]↑Wikipedia über das VW Werk, abgerufen am 15.9.2023.
- [13]↑„Salzburg Chronik“ vom 10.7.1934, Seite 4, Österreichische Nationalbibliothek, abgerufen am 12.9.2023.
- [14]↑Wikipedia über Rapid, abgerufen am 15.9.2023.
- [15]↑Vgl. Blick Online vom 1.5.2023, abgerufen am 17.1.2024.
- [16]↑Dokumente zur Einreise und Naturalisierung von Josef Ganz im Nationalarchiv Australien (NAA), NAA_ItemNumber12136285.
- [17]↑Vgl. Wikipedia über Holden, abgerufen am 20.9.2023.
- [18]↑Zit. o.J. nach „Josef Ganz“ aao.
- [19]↑Deutsche Botschaft an Außenministerium Australiens am 108.10.1965, zit n. Nationalarchiv Australien NAA, NAA_ItemNumber3349216.
- [20]↑Antwort des Außenministeriums Nr. 1535/25/17 vom 1.12.1965 und Brief des Ministerpräsidenten vom 24.11.1965, ebd.
- [21]↑Zit. nach „Josef Ganz“ aao.
- [22]↑Wikipedia über den Australischen Dollar, der 1966 das auf dem karolingisch-britischen System basierende Pfund ersetzte.
- [23]↑Vgl. Fussnote 2.
- [24]↑Die Dokumente sind im Nationalarchiv Australien, NAA_ItemNumber12136285, aufbewahrt.
- [25]↑Paul Schilperoord „Die wahre Geschichte des VW-Käfers. Wie die Nazis Josef Ganz die VW-Patente stahlen“, Mannheim 2011, ISBN 978-3719315658, 240 Seiten.
- [26]↑Die wahre Geschichte des VW-Käfer, Dokumentarfilm von Suzanne Raes, 2019, Koproduktion NL/D, abgerufen am 10.8.2023.
- [27]↑josefganz.org, abgerufen am 25.9.2023.