Dunera

Ida Dehn

Wie schwer ist es, die eigene Familie aufzugeben? Tausende jüdische Familien wurden nicht eben durch „irgendwelche widrigen Umstände“ auseinandergerissen. Der staatliche Terror der Nazis erzwang gravierende Entscheidungen zwischen Tod und Leben. Je älter die Menschen waren, desto bewusster waren sie sich wahrscheinlich darüber, was denen bevorstand, die aus den verschiedensten Gründen nicht fliehen konnten oder wollten.
Meine Mutter Ida Dehn geb. Flieder konnte als einzige ihrer Familie dem Mordterror der Nazis entkommen. Mit 16 Jahren bekam sie die Gelegenheit, nach Australien zu entkommen. Die Nazis hatten bereits ihren Vater und einen Bruder deportiert. In ihrer Heimatstadt Hannover musste Ida ihre Mutter und einen Bruder zurücklassen.

Peter Dehn im Januar 2024.

Ida Flieder[1] Standesamt Hannover, Urkunde Nr. 2053 vom 27.6.1921. wird am 26. Juni 1921 in Hannover geboren. Für Ihren Vater Abraham (Adam) ist es das zweite Kind seiner zweiten Ehe mit Ruchla (Rosa) Hoffer. Sie haben noch zwei Söhne: Chin (Simon *1922) und Isaak (*1919) werden in Hannover geboren. Aus erster Ehe Abrahams stammt der Sohn Izrael, der bis 1926 bei der Familie wohnt.

Polnische Juden in Hannover

Idas Eltern stammen aus Warschau, sind also polnische Juden und Staatsbürger dieses Landes – ebenso wie ihre Kinder. Die Eltern kommen während des 1. Weltkrieges nach Hannover. Ob sie zu dem Zeitpunkt schon verheiratet waren oder sich erst in Hannover das Jawort geben, ist unbekannt. Abraham gibt seinen Beruf stets mit Bürstenmacher an. Den Erzählungen Idas ist zu entnehmen, dass er gesundheitlich angeschlagen ist und nicht arbeiten kann. Ist das die Folge einer Verletzung aus dem 1. Weltkrieg, wo er wahrscheinlich in der polnischen Armee diente? Ruchla ist, wie es damals Tradition war, Hausfrau.

Ida, Ruchla. Isaak, Abraham und Simon Flieder ca. 1925.
Quelle: Familienarchiv Dehn.

Idas Eltern stammen aus Warschau, sind also polnische Juden und Staatsbürger dieses Landes – ebenso wie ihre Kinder. Die Eltern kommen während des 1. Weltkrieges nach Hannover. Ob sie zu dem Zeitpunkt schon verheiratet waren oder sich erst in Hannover das Jawort geben, ist unbekannt. Abraham gibt seinen Beruf stets mit Bürstenmacher an. Den Erzählungen Idas ist zu entnehmen, dass er gesundheitlich angeschlagen ist und nicht arbeiten kann. Ist das die Folge einer Verletzung aus dem 1. Weltkrieg, wo er wahrscheinlich in der polnischen Armee diente? Ruchla ist, wie es damals Tradition war, Hausfrau.

Ida besucht den jüdischen Kindergarten in der Ohestraße 9, wie auch der ein Jahr jüngere Nachbarsjunge Max Wildvogel[2] Max Wildfogel ist am 5.5.1922 in Hannover geboren. Als einer der wenigen seiner Familie entkommt er den Nazis durch Flucht nach Palästina. Dort tritt er in die britische Armee ein und wird 1944 eingebürgert. Er nimmt den Namen Moshe Meron an und stirbt 1990 in Israel., genannt „Bubi“. Vielleicht haben sie später auch den gemeinsamen Schulweg. Beide Familien wohnen im Zentrum Hannovers in der Marktstraße 38, nur 15 Fußminuten vom Hauptbahnhof entfernt. Das historische Fachwerkhaus[3] Arnhold&Kotyrba „Stadtbild im Wandel. Hannover“, Wolfenbüttel 2012, Seite 35. ISBN 978-3-942712-24-8, abgerufen am 20.7.2023. mit dem außergewöhnlich hohen Satteldach wird auf die 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts datiert. Es wurde, wie fast das gesamte historische Zentrum Hannovers, bei den alliierten Luftangriffen am 27./28. September 1943 dem Erdboden gleich gemacht. Der Neuaufbau erfolgte in geschmackloser Architektur. Die heutige Hässlichkeit Marktstraße 40 liegt nicht mehr inmitten eines langen Straßenzuges, sondern an der Ecke zur neuen Nebenstraße Senior-Blumenberg-Gang[4] Wilhelm Blumenberg, Pastor der Aegidienkirche, Senior des geistlichen Stadtministeriums und Vater eines Widerstandskämpfers war den Stadtvätern keine „Straße“ oder „Gasse“ wert. Vgl. „Hannover entdecken“, abgerufen am 10.7.2023.. Das Haus Nummer 38 stand rechts davon auf dem heutigen Spielplatz neben der mahnenden Ruine der Aegidienkirche.

Ida und ihre Gruppe in der jüdischen Kita in der Ohestrasse, ca 1925.
Quelle: Familienarchiv Dehn.

Das Haus in der Marktstraße

Die Flieders haben eine Wohnung im 3. Stock gemietet, die Wildvogels leben bis 1936 in der 2. Etage. Die etwa gleichaltrigen Kinder, vielleicht auch der Zufall, dass beide Elternpaare Abraham und Rosa heißen, mag die Nachbarn und ihre Kinder ebenso einander nähergebracht haben wie der Umstand, dass beide Familien polnische Juden aus Warschau sind.

Ebenfalls im 3. Stock der Marktstraße 38[5] Adreßbuch der Stadt Hannover 1935, Seiten 120, 190, 474, 534. Digitale Sammlungen der Niedersächsischen Landesbibliothek, abgerufen am 5.7.2023. leben der Filmvorführer August Zoch, der Arbeiter Fritz Zimmermann und der Maler Joseph Krause. Weitere Nachbarn sind drei Arbeiter, vier Witwen und ein Musiker. Der Hauseigentümer August Hesemann wirbt mit einem Schriftzug über der Haustür für seine Ofenfabrik auf dem Hof. Links neben der Tür betreibt Frau „Geschäftsinhaberin“ Elisabeth Thiemann den Schuhladen „Elite“. Rechts befindet sich der kleine Laden des Graveurs Paul Wolf.

Das Fachwerkhaus Marktstrasse 35 mit dem ungewöhnlich hohen Dach wurde im 16. Jahrhundert gebaut.
Quelle: Historisches Museum Hannover, 002494_12267.

Nationalsozialistische Verfolgung der Juden

1936 beendet Ida die Schule. Abraham hat keine Möglichkeit, eine längere Schulzeit oder eine Berufsausbildung zu finanzieren. Ohnehin greifen die Nazis tief und restriktiv in den Alltag der jüdischen Bevölkerung ein. Sie verhindern die Berufsausbildung jüdischer Jugendlicher fast vollständig. Ida muss daher ihren Lebensunterhalt selbst verdienen. Aber nur Juden dürfen Juden beschäftigen. So bringt Abraham sie bei seinem Freund Leo Nussbaum als Haushaltshilfe unter. Ida wohnt bei ihrem Arbeitgeber in der Nordmannstraße 15[6] Die gesamte Altstadt Hannovers wurde im Weltkrieg zerstört. Die Nordmannstraße wurde nicht in die Neubauplanung übernommen., einer beliebten Einkaufsstraße im Zentrum. Leo und Mally Nussbaum haben zwei Töchter: Jutta ist 1930 geboren. Marga ist Jahrgang 1921 wie Ida, aber zwei Monate älter. Vielleicht kennen sie sich schon aus dem Kindergarten und der Schule? Von Leos koscherer Schlachterei bzw. Wohnung läuft Ida in etwa 12 Minuten zu ihrer Familie, wenn sie frei bekommt.

Polen droht 1938 seinen im Ausland lebenden Bürgern mit dem Entzug der Staatsbürgerschaft, wenn sie sich nicht bis zu einem bestimmten Tag bei einem polnischen Konsulat melden. Das zielt eindeutig auf etwa 70.000 Juden, die in Deutschland leben. Die noch antisemitischeren Nazis wollen aber die von Polen verschmähten „Ostjuden“ keinesfalls im Lande behalten und brechen einen Streit mit der Regierung des Nachbarlandes vom Zaun: Sie holen am 28. Oktober 1938 tausende polnische Juden aus ihren Wohnungen, verfrachten sie mit der Bahn nach Osten und schieben sie nach Polen ab. Das widerfährt auch Idas Bruder Isaak und ihrem Vater Abraham, der im Januar 1939 im Lager Bentschen (Zbaszyn, Woiwodschaft Großpolen) stirbt.

Aus Zbaszyn bittet eine der dort im Lager lebenden Frauen ihren Bruder in Paris um Hilfe. Der junge Mann, Herschel Grynszpan erschießt wütend einen weniger wichtigen Mitarbeiter der deutschen Botschaft. Das machen die Nazis zum Ausgangspunkt einer neuen antisemitischen Hetzkampagne, an deren Schluss die Pogromnacht vom 8. zum 9. November 1938 steht.

Nazi-Bürokratie und australische Bürgschaft

Leo Nussbaum ahnt Schlimmes für seine Familie. Spätestens die Zerstörung seines Betriebes am 8./9. November 1938 zeigt, dass Juden in Deutschland nicht mehr sicher sind. Wie tausende Juden wird Leo Nussbaum sofort danach Konzentrationslager verschleppt. Die Freilassung aus dem KZ Buchenwald am 14. November 1938 erkauft er, wie viele andere jüdische Männer, mit der Zusage, mit der Familie Deutschland mehr oder weniger sofort zu verlassen.

Leos Melbourner Berufskollege Norman Smorgon[7] Vgl. National Archives of Australia (NAA), NAA_ItemNumber8209899. hatte auf Leos Bitten[8] Mark Rubinstein an Peter Dehn, Mail vom 29.9.2023. bereits im Juli 1938 eine Bürgschaft für die vier Nussbaums abgegeben und die Einreise beantragt. Leo wird Ida auf die Reise um den halben Erdball mitnehmen. Zunächst müssen Ida und ihre Arbeitgeber jedoch die Bürokratie des Antisemitismus bewältigen. Ida muss eine Erklärung über ihr (nicht vorhandenes) Vermögen abgeben. Kleidung und Gebrauchsgegenstände darf sie nur mitnehmen, weil das Finanzamt[9] Niedersächsisches Hauptarchiv, ha_nds._hann._210_acc._2004_025_nr._3606. ihre Liste am 28. November 1938 abgesegnet hat. „Die Anschaffungen zum Zwecke der Auswanderung bleiben im angemessenen Rahmen. Gegen die Mitnahme der Gegenstände werden keine Bedenken erhoben“, bestätigt großzügig die Zollfahndungsstelle am 1. Dezember; Eingang beim Oberfinanzpräsidenten Hannover tags darauf. Ganz großzügig, wenn dieser Sarkasmus erlaubt ist, wird Ida von der „Dego“-Abgabe[10] Die DeGo-Abgabe war die von Auswanderern an die „Deutsche Golddiskontbank“ zu entrichten. Daneben mussten auswanderungswillige Juden eine „Reichsfluchtsteuer“ und nach den Novemberpogromen 1938 auch eine „Judenvermögensabgabe“ entrichten. Um diese zu zahlen waren viele Juden gezwungen, ihr Vermögen zu Geld zu machen. Abgerufen am 30.6.2023. befreit, einer der Steuern, mit denen der Nazistaat sich jüdisches Eigentum aneignet, um den geplanten Krieg zu finanzieren.

„Keine Beanstandungen“ der Nazi-Behörden für Idas Reisegepäck.
Quelle: NLA Hann. 210 Acc. 2004/025 Nr. 3606.

Von Hannover nach Melbourne

Noch vor Weihnachten 1938 nimmt Ida Abschied von ihrer Mutter und ihrem Bruder Simon in Hannover. Sie wird ihre Familienangehörigen nie wiedersehen.

Die Nussbaums und Ida fahren zunächst mit der Bahn nach Hamburg, wo das australische Generalkonsulat ihre Visa am 19. Dezember ausstellt. Von dort geht es mit dem Schiff zum britischen Hafen Grimsby an der Mündung des Hull. Mit der Eisenbahn durchqueren sie England. In Liverpool legt die Duchess of Atholl an Silvester 1938 in Richtung Kanada ab. Die fünf Flüchtlinge reisen erster Klasse, weil es so kurzfristig[11] Leo Nussbaum wird das beim Wiedergutmachungs-Antrag zum Verhängnis. keine anderen Tickets gibt. Nun wird Kanada mit der Bahn durchquert. In Vancouver legt der Liniendampfer MS Aorangi am 19. Januar 1939 in Richtung Australien ab. Das bei der Indienststellung 1925 größte und schnellste Motorschiff der Welt fährt Honolulu, Suva und Auckland für Zwischenstopps an. Auf den beiden langen Seereise-Etappen haben die Nussbaums und Ida gemeinsame Kabinen. Idas Beruf wird in den Passagierlisten[12] Passagierliste der Duchess of Atholl und Einreise-Unterlagen Kanada, via ancestry.de. als „domestic“ (Dienerin) angegeben.

18 Jahre in Australien

Am 10. Februar 1939 verlässt die Reisegesellschaft in Sydney die Aorangi, um nach zwei Monaten das Reiseziel Melbourne am 12. Februar 1939 mit der Bahn zu erreichen. Ihre erste gemeinsame Wohnadresse ist das Haus Nummer 1 in der Waterloo Street[13] Fragebögen für die Familie Nussbaum (NAA_ItemNumber8209899) und für Ida Flieder (NAA_ItemNumber7249875) vom 10.2.1939. (heute Waterloo Crescent) in dem von Juden bevorzugten Stadtteil St. Kilda, östlich vom Zentrum der Millionenstadt. Ida und die Nussbaums melden sich bei der Hilfsorganisation Australia Jewish Welfare and Relief Society. Deren Karteikarte nennt Mrs. Atkinson im Stadtteil Carlton als Idas erste Arbeitgeberin[14] Karteikarten Nussbaum und Flieder der Australia Jewish Welfare and Relief Society; Datenbank des US Holocaust Memorial Museums, abgerufen am 5.3.2021.. Als Haushaltshilfe[15] Karteikarte Ida Flieder, Sammlung USHMM. Abgerufen am 20.6.2023. verdient sie demnach 15 australische Pfund im Monat. Bald trennen sich die Wege der Reisegruppe. Ida arbeitet die nächsten Jahre u.a. als Packerin in einer Keksfabrik, später in einer Schuhfabrik als Falzerin und danach bei einem Hersteller von Lederwaren als Stepperin.

Wann, wie und durch welche gemeinsamen Freunde sie Heinz Dehn kennenlernt, bleibt im Dunkeln. Die Briten hatten Heinz im September 1940 auf dem Internierten-Schiff Dunera nach Australien deportiert. Dort wurde er bis Ende November 1942 hinter Gittern eingesperrt. Erst danach – er dient bis März 1946 in einer Arbeitseinheit der australischen Armee – ist ein Kontakt überhaupt möglich. Spätestens 1948 ziehen Ida und Heinz zusammen. Ihre erste gemeinsame Wohnung ist in der Wellington St. 109 im Ortsteil Windsor. In der Chinatown Melbournes liegt die von Heinz seit Juli 1949 betriebene Gürtel- und Knopfmacherei Hyman & Wieselmann. Ida arbeitet bis 1952 in anderen Firmen und steigt erst 1953 bei dem Familienbetrieb[16] Schreiben der australischen Steuerberatung Potts vom 17.2.1958, Familienarchiv Dehn. ein.

1951 ziehen beide in die ein paar hundert Meter von der Wellington Street entfernte Henry St. 47a um. Den Bungalow übernehmen sie von Freunden: Dave und Bernice Morris erwarten ihr zweites Kind und wollen sich vergrößern.

Ida und Heinz werden am 12. März 1951 in der Synagoge Caulfield von dem Rabbiner Isaac Amber Bernstein getraut und lassen die Ehe bei den Behörden registrieren. Trauzeugen sind der aus Wien stammende Walter Fürst und der in Ratibor (heute Racibórz, Woiwodschaft Schlesien, Polen) geborene Eric Robert Towers (Erich Tichauer). Beide sind Dunera-Boys wie Heinz. An eine Hochzeitsreise ist indes nicht zu denken. Die Firma erfordert volle Aufmerksamkeit und das Geld ist ohnehin knapp. Im Mai 1953 wird ihr Sohn Peter in Melbourne geboren.

In diesem Haus im Ortsteil Windsor wohnten die Dehns von 1951 bis 1957. Foto: Peter Dehn.

Zurück nach Deutschland

1957 ist einerseits genug Geld für die Reise nach Deutschland angespart. Andererseits kann Heinz nach sechs Jahren Auseinandersetzungen mit den deutschen Behörden um Wiedergutmachung und Entschädigung endlich über das arisierte Mietshaus seiner Eltern und ein deutsches Bankkonto verfügen. Damit ist der Lebensunterhalt der Familie in Deutschland gesichert. Die Dehns gehen am 10. Mai 1957 an Bord der Fairsea Richtung Southampton. Nach der Kanalüberquerung von Harwich nach Hoek van Holland[17] Vgl. Stempel auf der ID-Karte Ida Dehn, Familienarchiv Dehn. treffen sie in Hannover ein. Ida ist entsetzt, denn nach der vollständigen Zerstörung kann sie keinen vertrauten Bezugspunkt in ihrer Heimatstadt entdecken.

So reisen die Dehns weiter nach Berlin, der Geburtsstadt von Heinz. Ihr erstes Quartier ist das „Hotel zum Traber“ in Charlottenburg am Stuttgarter Platz 9[18] Das Hotel „Traber“ am Stuttgarter Platz 9 in Berlin Charlottenburg ist Heinz‘ Geburtshaus.. Nach kurzer Zeit dort und einigen Monaten in Untermiete bekommen sie die „Zuteilung durch Benutzungsverordnung“ für eine Wohnung[19] Bezirksamt Berlin Steglitz, „Zuteilung durch Benutzungsgenehmigung“ vom 28.10.1957, Familienarchiv Dehn. im Westberliner Stadtbezirk Steglitz, die sie im Dezember 1957 beziehen. Seit dieser Zeit ist Ida Hausfrau. Heinz kümmert sich um die Einkünfte der Familie.

Als Ida wieder schwanger ist, suchen Heinz und Ida eine größere Wohnung. Ein Anrufer stellt sich als Herr Niemand vor und macht ein Angebot. Heinz und Ida halten das für einen Witz. Doch nein, Herr Niemand ist kein Fake-Nobody. Der Pächter einer Aral-Tankstelle sucht einen Nachmieter für eine Wohnung in seinem Mietshaus in der Wielandstraße am S-Bahnhof Friedenau. Die Wohnung ist schön, die Miete angemessen, der Umzug wird durchgeführt. Peters Schwester wird am 26. Oktober 1963 geboren.

Kaum zu glauben: 1957 kostete eine Tasse Kaffee nur 1,50 DM, die Übernachtung für eine Familie 14,50 DM! Quelle: Familienarchiv Dehn.

Peter bezieht, 21jährig, seine erste eigene Wohnung. Das Familienoberhaupt Heinz stirbt am 1. Januar 1977. Ida zieht bald darauf in eine kleinere Wohnung, nicht weit entfernt in der Hauptstraße. 2006 lebt sie dort schon lange allein; die 2½-Zimmer Wohnung droht ihr über den Kopf zu wachsen. Sie mietet ein Apartment in einem Wohnstift. 2009, in ihrem 88. Lebensjahr, ist Ida pflegebedürftig und muss in die Pflegestation der Einrichtung umziehen. Ihre Gesundheit verschlechtert sich rapide. Zwei Operationen wegen Oberschenkelhalsbrüchen tragen dazu bei. Ab etwa 2014 bricht die Alzheimer-Erkrankung durch. Idas geistige Leistungsfähigkeit lässt schnell stark nach und 2016 kann sie weder ihren Sohn noch ihren Enkel Paul erkennen.

Ida Dehn verstirbt am 15. August 2017 im Alter von 96 Jahren. Sie hinterlässt zwei Kinder, drei Enkel und einen Urenkel.

Hinweis: Soweit nicht gesondert gekennzeichnet kommen die genannten Dokumente aus dem Familienarchiv Dehn. Weiteres basiert auf oral history von Ida und Peter Dehn.

V.l.n.r.: Ida Dehn 1944, Foto: Dunera Boy Harry Jay. Ida und Heinz Dehn mit den Kindern, 1963, Foto: Jürgen Henschel. Ida (l.) und ihre Freundin Bernice 1964 in Melbourne. Ida 2003; Ida and grand son Paul. Fotos: Peter Dehn.

Fußnoten

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  • [1]Standesamt Hannover, Urkunde Nr. 2053 vom 27.6.1921.
  • [2]Max Wildfogel ist am 5.5.1922 in Hannover geboren. Als einer der wenigen seiner Familie entkommt er den Nazis durch Flucht nach Palästina. Dort tritt er in die britische Armee ein und wird 1944 eingebürgert. Er nimmt den Namen Moshe Meron an und stirbt 1990 in Israel.
  • [3]Arnhold&Kotyrba „Stadtbild im Wandel. Hannover“, Wolfenbüttel 2012, Seite 35. ISBN 978-3-942712-24-8, abgerufen am 20.7.2023.
  • [4]Wilhelm Blumenberg, Pastor der Aegidienkirche, Senior des geistlichen Stadtministeriums und Vater eines Widerstandskämpfers war den Stadtvätern keine „Straße“ oder „Gasse“ wert. Vgl. „Hannover entdecken“, abgerufen am 10.7.2023.
  • [5]Adreßbuch der Stadt Hannover 1935, Seiten 120, 190, 474, 534. Digitale Sammlungen der Niedersächsischen Landesbibliothek, abgerufen am 5.7.2023.
  • [6]Die gesamte Altstadt Hannovers wurde im Weltkrieg zerstört. Die Nordmannstraße wurde nicht in die Neubauplanung übernommen.
  • [7]Vgl. National Archives of Australia (NAA), NAA_ItemNumber8209899.
  • [8]Mark Rubinstein an Peter Dehn, Mail vom 29.9.2023.
  • [9]Niedersächsisches Hauptarchiv, ha_nds._hann._210_acc._2004_025_nr._3606.
  • [10]Die DeGo-Abgabe war die von Auswanderern an die „Deutsche Golddiskontbank“ zu entrichten. Daneben mussten auswanderungswillige Juden eine „Reichsfluchtsteuer“ und nach den Novemberpogromen 1938 auch eine „Judenvermögensabgabe“ entrichten. Um diese zu zahlen waren viele Juden gezwungen, ihr Vermögen zu Geld zu machen. Abgerufen am 30.6.2023.
  • [11]Leo Nussbaum wird das beim Wiedergutmachungs-Antrag zum Verhängnis.
  • [12]Passagierliste der Duchess of Atholl und Einreise-Unterlagen Kanada, via ancestry.de.
  • [13]Fragebögen für die Familie Nussbaum (NAA_ItemNumber8209899) und für Ida Flieder (NAA_ItemNumber7249875) vom 10.2.1939.
  • [14]Karteikarten Nussbaum und Flieder der Australia Jewish Welfare and Relief Society; Datenbank des US Holocaust Memorial Museums, abgerufen am 5.3.2021.
  • [15]Karteikarte Ida Flieder, Sammlung USHMM. Abgerufen am 20.6.2023.
  • [16]Schreiben der australischen Steuerberatung Potts vom 17.2.1958, Familienarchiv Dehn.
  • [17]Vgl. Stempel auf der ID-Karte Ida Dehn, Familienarchiv Dehn.
  • [18]Das Hotel „Traber“ am Stuttgarter Platz 9 in Berlin Charlottenburg ist Heinz‘ Geburtshaus.
  • [19]Bezirksamt Berlin Steglitz, „Zuteilung durch Benutzungsgenehmigung“ vom 28.10.1957, Familienarchiv Dehn.

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