Dunera

Familie Nussbaum

Ida Dehn hatte stets von Freunden ihres Vaters gesprochen, mit deren Hilfe sie – als einzige ihrer eigenen Familie – dem Naziterror entkam. In dem Zusammenhang mag der Name Nussbaum gefallen sein, der später durch Recherchen bestätigt wurde. Der Familie Nussbaum – den Eltern Levy Leo und Mally und ihren Töchtern Jutta und Marga – verdankt die Familie Dehn die Rettung der Mutter und Großmutter Ida und damit im Grunde ihre Existenz. Die Nussbaums nahmen die damals 17jährige Ida Ende 1938 mit auf die Reise nach Australien. In der familiären Erzählung verschwindet die gemeinsame Spur nach der Ankunft in Melbourne. Eine Zufalls-Entdeckung auf Facebook führte zum Kontakt mit Enkeln der Nussbaums in Australien. Ergänzende Infos fanden sich in einer Dissertation über die Wiedergutmachung in Hannover.

Peter Dehn im Januar 2024.

Eine Weltreise in das Überleben

Die Nussbaums stammen aus Hessen. Meier (Moritz) Nussbaum[1] Standesamt Bad Hersfeld Nr. 149 vom 17.7.1919. wird am 10. August 1838 in Erdmannrode (Hessen) geboren; er ist der Sohn von Salomon und seiner Frau Sara geb. Wertheim. Er stirbt am 16. Juli 1919 in Hersfeld[2] Seit 1949 Bad Hersfeld, abgerufen am 15.5.2023..

Am 10. Dezember 1878 heiratete der verwitwete Meier Bertha Stern[3] Heiratsurkunde Nr. 9 vom 10.12.1878.. Sie wurde am 19. Dezember 1850 in Beiseförth geboren. Das junge Paar siedelt sich in Hersfeld/Hessen an. Das dritte ihrer sieben Kinder ist Levi[4] Für den Vornamen gibt es auch die Schreibweise „Levy“. Ab wann und wie der „Leo“ als Rufname offiziell wurde ist nicht bekannt. „Leo“ wird hier im Weiteren genutzt. (Leo), der dort am 1. September 1883[5] Standesamtlicher Eintrag Hersfeld Nr. 174 vom 6.9.1883. das Licht der Welt erblickt.







Leo, Jutta und Malli Nussbaum.
Quelle: geni.com.

Er heiratet am 30. August 1912[6] Standesamt Felsberg Nr. 6 vom 30.8.1912. Mally[7] Standesamt Felsberg Nr. 17 vom 30.6.1887., die am 29. Juni 1887 geborene Tochter des Pferdehändlers Isaak Marx und seiner Frau Jettchen Loewenstein, an ihrem Geburtsort Felsberg/Hessen. Ihre Kinder Herbert (* 24. September 1913), Marga (* 15. April 1921) und Jutta (* 25. September 1930) werden in Hannover geboren.

Koschere Schlachterei im Zentrum von Hannover

Zum Zeitpunkt der Hochzeit lebt Leo, inzwischen Schlachtermeister, bereits in Hannover. Einträge in dortigen Adressbüchern finden sich jedoch erst ab 1920: Er ist mit seiner Berufsangabe in der Nordmannstrasse 15[8] Adressbuch Hannover 1920, Seite 295. und als Mieter von Erdgeschoß und erster Etage – also sicherlich Geschäft und Wohnung – eingetragen. Ab 1928 wird er auch als Eigentümer[9] Adressbuch Hannover 1928, Seite 181. des Gebäudes geführt. Die Anschrift ist im belebten Zentrum der Stadt zwischen Hauptbahnhof und Steintor[10] Aufgrund der Kriegszerstörungen wurde das Zentrum Hannovers neugestaltet; dem fiel die Nordmannstrasse zum Opfer..

Die Familie Flieder wohnt mit Ihrer Tochter Ida[11] Standesamt Hannover, Geburtseintrag Nr. 2053 vom 27.6.1921. in der Marktstraße 38. Ihr Vater Abraham (Adam) kann seinen Beruf als Bürstenmacher aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben. Nach Ende der Schulzeit – ab dem 1. September 1936 –, schickt Abraham seine 15jährige Tochter zu der ihm bekannten Familie Nussbaum in die kaum 10 Fußminuten entfernte Nordmannstrasse[12] Meldekarte Hannover, Familienarchiv Dehn.. Sie wird als Haushaltshilfe für die Nussbaums tätig. Sie ist also versorgt, verdient vielleicht etwas eigenes Geld und fällt den Eltern nicht zur Last. Beiden Seiten kommt entgegen, dass Ida Flieder und Marga Nussbaum gleichaltrig sind. Kannten sich Ida und Marga schon aus einer gemeinsamen Zeit z.B. im jüdischen Kindergarten in der Ohestraße 9 oder an der Volksschule?

Marga, Vater Leo und ihre Schwester Jutta.
Quelle: geni.com.
Blick in die Nordmannstrasse, 1933.
Foto: W. Hauschild, HAZ-Hauschild-Archiv im HMH, 60100.

Von den Nazis verfolgt

Beide Familien sind den Verfolgungen der Nazis ausgesetzt. Die Nazis hatten Idas Vater Abraham und ihren jüngeren Bruder Isaak im Zuge der sog. 1. Polenaktion Ende Oktober 1938 mit Tausenden anderen Juden polnischer Herkunft nach Osten gebracht und an der Grenze zu Polen aus den Bahnwaggons geholt und sie nach Polen deportiert.

Leo Nussbaum ist einer von zehntausenden Juden, die sofort nach der Reichspogromnacht am 9. November 1938 ohne Grund in Konzentrationslager verschleppt wurden. Die Nussbaumsche Fleischerei wird in der Nacht des Naziterrors von SA-Randalierern zerstört[13] Die Zerstörung bestätigt ein Vermerk der Entschädigungsbehörde Hannover vom 5.11.1956. Niedersächsisches Landesarchiv (NLA) HStAH Nds. 110 W Acc.14/99 Nr. 110162 Bl. 140. Zit. nach Florian Grumblies „Rückerstattung und Entschädigung. Die Praxis der ‚Wiedergutmachung‘ nationalsozialistischen Unrechts am Beispiel der Juden der Stadt Hannover 1945 - 1965“ (Dissertation 2021), Seite 633. und der Lieferwagen[14] Vgl. Grumblies aao, Seite 218. ohne Rechtsgrundlage gestohlen[, so dass der Familie die Existenzgrundlage genommen ist. Allein in Hannover[15] „Juden in Hannover: Geschichte und Gegenwart“, Haus der Religionen, abgerufen am 20.9.2023. werden 94 Geschäfte und 27 Wohnungen geplündert. Leo wird wie tausende jüdische Männer – darunter 316 aus der Leinestadt – kurz darauf verhaftet und im KZ Buchenwald[16] Veränderungsmeldung KZ Buchenwald vom 14.11.1938, Arolsen Archiv. festgehalten. Die Männer werden gezwungen, ihre Freiheit mit der Zusage zu erkaufen, Deutschland mehr oder weniger sofort zu verlassen. Wie die Familie berichtet ging Marga zur Gestapo[17] Mark Rubinstein an Peter Dehn, Mail vom 29.9.2023. und handelte die Freilassung ihres Vaters aus. Innerhalb von zwei Wochen musste die Familie das Land verlassen.

Leo Nussbaum hatte vorausgesehen, dass den Juden in Deutschland unter der Naziherrschaft ein normales Leben unmöglich gemacht werden würde. Er nimmt Kontakt nach Australien auf. Schon am 20. Juli 1938 beantragt dort Norman Smorgon[18] Ende des 20. Jahrhunderts sind die Smorgons die reichste Familie Australiens, abgerufen am 15.5.2023. die Einreise der Nussbaums und bürgt für sie. Seine Firma Norman Smorgon & Sons, 1927 war von drei aus der bürgerkriegserschütterten Sowjetunion ausgewanderten jüdischen Brüdern gegründet worden. In Melbourne haben sie nach nur zehn Jahren bereits einen Namen. Zu Schlachterei und Lederverarbeitung kommen bald die Herstellung von Fleischkonserven, Handel mit und Export von Fleischprodukten hinzu. Wie der Nussbaum-Enkel Mark Rubinstein bemerkt, gewährt Smorgon die Bürgschaft[19] Mark Rubinstein an Peter Dehn, Mail vom 29.9.2023. aber nur, weil Leo Nussbaum zusichert, ihm keine Konkurrenz zu machen.

Die Reise nach Australien

Die vier Nussbaums und Ida Flieder treten ihre Reise nach Melbourne am 12. Dezember 1938 an. Idas Hannoveraner Meldekarte[20] Meldekarte Hannover aao. bestätigt dieses Datum mit dem Vermerk „unbek.“ – unbekannt verzogen. Der lange Reiseweg[21] Vgl. Grumblies aao, Seite 688. beginnt mit der Bahn nach Hamburg[22] Ausführliche Darstellung im Schreiben von Heinz Dehn an RA Eckstein vom 13.3.1957; Familienarchiv Dehn., wo Australiens Generalkonsulat[23] Visum für Ida Dehn siehe NAA_ItemNumber7249875. am 19. Dezember 1938 die Visa ausstellt. Auf das Eintreffen im Hafen Grimsby an der britischen Nordseekünste folgt ein Bahntransfer und Zwischenaufenthalt in Liverpool.

Die nächste Etappe führt am 31. Dezember 1938 über den Atlantik nach Halifax/Kanada[24] Der Index zur Ankunft von Ausländern in Kanada für die Nussbaums und Ida Flieder nutzt drei Kennzahlen – Alter – wahrscheinlich Kabine – und Jahr der Ankunft.; das Neue Jahr feiern sie auf der Duchess of Atholl. Fortlaufende Ticketnummern und amtliche Notizen zur Ankunft für die Nussbaums und Ida lassen auf eine gemeinsame Kabine, wahrscheinlich Nummer 7 schließen. Ida Flieder wird in der Passagierliste als „domestic[25] Passagierliste der Duchess of Atholl vom 31.12.1938, von Liverpool nach Halifax; Familienarchiv Dehn.“ (Dienerin) geführt.

Von der Atlantikküste geht es mit der Bahn quer durch Kanada an den Pazifik nach Vancouver. Dort wird das Ablegen der MS Aorangi am 19. Januar 1939 abgewartet. Das bei Indienststellung 1925 größte und schnellste Motorschiff der Welt legt Zwischenstopps in Honolulu (25. Januar), Suva (2. Februar) und Auckland (5. Februar) ein. Sydney erreicht es am 10. Februar 1939. Dort gehen die fünf Flüchtlinge aus Hannover von Bord. Die Akten der MS Aorangi zeigen, dass die Nussbaums und Ida Flieder auch auf diesem Schiff fortlaufende Ticketnummern für eine gemeinsame Kabine haben. Das Reiseziel Melbourne[26] Einreiseformular für die Familie Nussbaum, NAA_ItemNumber6987659 erreichen sie am 12. Februar 1939. Ihre erste gemeinsame Wohnadresse ist das Haus Nummer 1 in der Waterloo Street[27] Karteikarten Nussbaum und Flieder der Australia Jewish Welfare and Relief Society; Datenbank des US Holocaust Memorial Museums, abgerufen am 5.3.2021. (heute Waterloo Crescent) in dem von Juden bevorzugten Stadtteil St. Kilda.

Die zweite Schiffsreise führte von Kanada nach Australien auf der Aorangi.

Mark Rubinstein hat Kindheitserinnerungen[28] Mark Rubinstein an Peter Dehn, aao. an seinen Großvater: „He made hampelmänner out of pieces of timber to entertain me.“ Die Eltern Nussbaum wohnen[29] Vgl. australische Wählerlisten, siehe www.ancestry.de. dort mindestens bis zum Tod von Leo am 23. April 1958[30] Vgl, Anzeige im „Aufbau“ vom 6.6.1958, Seite 33; Familienarchiv Dehn.. Er sei friedlich eingeschlafen, berichtet die Tochter Jutta ihren Kindern. „Obwohl er Darmkrebs hatte, starb er aufgrund einer falschen Bluttransfusion“, ergänzt Mark. Mally Nussbaum[31] Vgl. Aufzeichnung auf Jewish Gen. stirbt am 14. März 1967 in Melbourne.

Kinder und Kindeskinder der Nussbaums

Leo, Jutta und Malli vor dem Haus in der Waterloo
Street in St. Kilda.
Quelle: Archiv Rubinstein.

Herbert („Selli“) Nussbaum ist das älteste Kind von Leo und Mally Nussbaum. Er ist am 24. September 1913 geboren. Um der Verfolgung zu entgehen, studiert er Recht u.a. in Genf, wo er sein Studium als Fotograf finanziert. Er geht am 2. März 1937 über Bremen nach Southampton auf Reise. Von dort reist „Herbert Nussbaum, Photographer“ ab dem 5. März mit der Stirling Castle nach Südafrika[32] Passagierliste der Stirling Castle vom 5.3.1937.. Dort dient er während des Krieges in der Armee. Danach arbeitet er als Presse- und freier Fotograf in Johannesburg. Er ist mit Paula Fuchs[33] Vgl. Stammbaum-Daten auf geni.com für Paula Nussbaum, abgerufen am 15.5.2023. (geb. Adler, 10. August.1921, Polen, verstorben am 31.5.2009 in Südafrika) verheiratet. Sie haben zwei Kinder; die Ehe wird 1957 geschieden. Herbert Nussbaum[34] Vgl. Stammbaum-Daten auf geni.com; für Herbert Nussbaum, abgerufen am 15.5.2023. stirbt am 12. Dezember 1997 in Johannesburg.

Marga, die ältere Tochter der Nussbaums, wird am 15. April 1921 in Hannover geboren. Sie reist bald nach der Ankunft in Australien nach Südafrika, wo sie 1939 Leonhard Cronheim[35] Mark Rubinstein an Peter Dehn, Mail vom 26.3.2024. heiratet. Die Ehe hat nicht lange Bestand. Eine zweite Ehe verbindet sie mit Peter Baum, mit dem sie eine Tochter hat. Sie leben zeitweise in Liberia, wo Marga für den Diamantenhändler de Beers tätig ist. Peter stirbt in den 1960ern. In dritter Ehe heiratet sie Karlheinz Meyer (1930-2018). Sie stirbt am 6. Mai 2015 in Bendestorf bei Hamburg[36] Mark Rubinstein an Peter Dehn, Mail vom 4.3.2023., wo sie und ihr Mann jahrzehntelang lebten.

Ihre fast neun Jahre jüngere Schwester Jutta, geboren am 25. September 1930 in Hannover, bleibt bei den Eltern in Melbourne. Nach dem Abschluss der 10. Klasse lernt sie Steno und Maschineschreiben und das Schneidern. Sie heiratet 1951, erst 20jährig, Isaac („Issy“) Rubinstein, den sie seit ihrem 14. Lebensjahr kennt. Neben ihrer Arbeit meistert Jutta den Haushalt. Zu ihren fünf Kindern kommen bald ihre an einem Schlaganfall leidende Mutter Malli, auswärtige Studenten „und eine veritable Menagerie von Katzen, Hunden, einem Truthahn und anderen Tieren“ in den Haushalt. Bis 1969 arbeitet Jutta erfolgreich als Immobilienmaklerin[37] Mark Rubinstein an Peter Dehn, aao.. Issy stirbt 2006. Jutta stirbt am 12. Juni 2020 in Melbourne. Sie hinterlässt fünf Kinder, 17 Enkel und zwei Urenkel.

Eine große Familie – die Nachkommen der Nussbaums.
Quelle: Archiv Rubinstein.

„Entschädigung“: Schikanen und ein blinder Fleischer

Für seine Dissertation „Rückerstattung und Entschädigung. Die Praxis der ‚Wiedergutmachung‘ nationalsozialistischen Unrechts am Beispiel der Juden der Stadt Hannover 1945-1965“ recherchierte Dr. Florian Grumblies umfänglich Unterlagen zu den Entschädigungsverfahren hannoverscher Juden. Aus den Akten der Familie Nussbaum verweist er mehrfach auf typische Schikanen der Behörden gegen jüdische Antragsteller. So sucht ein Gericht nach Zeugen, um das von den Nussbaums angegebene Eigentum und Vermögen bestätigen zu lassen. In das Urteil fließt u.a. die Aussage eines Ehepaares[38] Ein Philipp Martin betrieb zu der Zeit eine Fleischerei in der Nordmannstrasse 5. ein, das in der Nähe der Nordmannstrasse 15 eine Fleischerei betrieben hatte. Ganz unverhohlen geben diese Leute zu Protokoll, das Nussbaumsche Geschäft sei keinen „Boykottmaßnahmen ausgesetzt“ gewesen. Dass die Zerstörung des Ladens, zehn Hausnummern vom eigenen entfernt, und der Medienjubel über die „Kristallnacht“ dem Herrn Fleischer unbekannt blieben, glauben damals offenbar nur bundesdeutsche Behörden.

Der Fleischer, dem die Nazis den Wettbewerber vom Halse geschafft hatten, behauptet weiter, der Umsatz der Schlachterei Nussbaum habe schon vor 1933 keine Bedeutung gehabt, weil es sich nämlich „um ein ausgesprochen jüdisches Geschäft handelte, in dem nicht jeder kaufte“. Es habe sich um einen „größeren, nicht sehr ansprechenden Laden mit einem unbedeutenden Kundenverkehr gehandelt“. Das protokollierte das Ordnungsamt Hannover am 26.4.1956 im Auftrage der Entschädigungsbehörde. So wird nicht nur der von den Nazis verursachte Schaden kleingeredet. In der Konsequenz wird die Judenverfolgung bestritten. Die Entschädigungsbehörde übernimmt das unbeanstandet[39] Grumblies aao, Seite 630. und ignoriert die Angaben der Opfer!

Als exemplarisch für viele Verfahren zur „Wiedergutmachung“ beurteilt Grumblies die Behandlung des Antrags von Leo Nussbaums für die Erstattung der Fluchtkosten[40] Grumblies aao, Seite 688f. nach Australien. Als Teil seiner Ausgaben von rund 600 britischen Pfund setzt Leo Nussbaum die Schiffreisen mit 300 Pfund an. Die Entschädigungsbehörde Hannover prüft nun nicht etwa, welche Kosten für die Reisen mit Schiffen einer neuseeländischen bzw. einer kanadischen Reederei tatsächlich verausgabt wurden. Vielmehr wird die Auszahlung mit der Bemerkung gedrückt, die (gar nicht involvierte) deutsche Reederei Hapag habe 1938 für eine solche Reise 55 Pfund pro Erwachsenen, für Kinder bis 12 Jahren die Hälfte, berechnet.

„Keine Boykottmassnahmen …“? Dunera Boy Hans Hermann Josephy (Hans Jackson) malte seine Erinnerung an den Pogrom in seiner Straße in Berlin. Mit freundlicher Genehmigung von Allen Sternstein.

Die Entschädigung für die Reise wird aber ganz anders berechnet: Die Nazi-Finanzbehörde hatte den Nussbaums für die Reise 10.046,70 Reichsmark aus deren eigenem Vermögen (!) zugestanden, die nicht an den Nazistaat abgeführt werden mussten. Dieser Betrag wird von der Entschädigungsbehörde 10:2 auf DM umgewertet, so dass nur 2.009,34 DM zu erstatten waren. Auch in dem Fall wird der Raub jüdischen Eigentums (und dessen juristische Verbrämung) durch die Nazis doch indirekt legitimiert.

Alle Entschädigungsämter ziehen damals übrigens Unterlagen der Finanzbehörden (u.a. der Oberfinanzdirektionen) für ihre Entscheidungen heran. Diese Behörden unterhielten während der Nazizeit Sammelstellen für die Gewinne aus dem gestohlenen jüdischen Eigentum. Den betroffenen Antragstellern wird jedoch kraft Gesetzes die Einsicht in diese Unterlagen verweigert. Sie müssen stattdessen die Geldwerte enteigneten Besitzes, von Wohnungseinrichtungen, Schmuck usw. einzeln auflisten und glaubwürdig bewerten. Leo Nussbaum bietet man großzügig 1.300 DM an. Dieses Angebot eines „Vergleichs“ erlebt er nicht mehr. Seine Witwe erhält erst 1963 – und nach einem aufwändigen australisch-deutschen Erbscheinverfahren – 1.604 DM für Fracht- und Zollkosten zugesprochen.

Hinweis: Diverse Quellen, vor allem zur Wiedergutmachung, schreiben den Familiennamen mit „ss“, andere mit „ß“. Hier wird (außer in Zitaten) die Schreibweise „Nussbaum“ verwendet.

Fußnoten

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  • [1]Standesamt Bad Hersfeld Nr. 149 vom 17.7.1919.
  • [2]Seit 1949 Bad Hersfeld, abgerufen am 15.5.2023.
  • [3]Heiratsurkunde Nr. 9 vom 10.12.1878.
  • [4]Für den Vornamen gibt es auch die Schreibweise „Levy“. Ab wann und wie der „Leo“ als Rufname offiziell wurde ist nicht bekannt. „Leo“ wird hier im Weiteren genutzt.
  • [5]Standesamtlicher Eintrag Hersfeld Nr. 174 vom 6.9.1883.
  • [6]Standesamt Felsberg Nr. 6 vom 30.8.1912.
  • [7]Standesamt Felsberg Nr. 17 vom 30.6.1887.
  • [8]Adressbuch Hannover 1920, Seite 295.
  • [9]Adressbuch Hannover 1928, Seite 181.
  • [10]Aufgrund der Kriegszerstörungen wurde das Zentrum Hannovers neugestaltet; dem fiel die Nordmannstrasse zum Opfer.
  • [11]Standesamt Hannover, Geburtseintrag Nr. 2053 vom 27.6.1921.
  • [12]Meldekarte Hannover, Familienarchiv Dehn.
  • [13]Die Zerstörung bestätigt ein Vermerk der Entschädigungsbehörde Hannover vom 5.11.1956. Niedersächsisches Landesarchiv (NLA) HStAH Nds. 110 W Acc.14/99 Nr. 110162 Bl. 140. Zit. nach Florian Grumblies „Rückerstattung und Entschädigung. Die Praxis der ‚Wiedergutmachung‘ nationalsozialistischen Unrechts am Beispiel der Juden der Stadt Hannover 1945 - 1965“ (Dissertation 2021), Seite 633.
  • [14]Vgl. Grumblies aao, Seite 218.
  • [15]„Juden in Hannover: Geschichte und Gegenwart“, Haus der Religionen, abgerufen am 20.9.2023.
  • [16]Veränderungsmeldung KZ Buchenwald vom 14.11.1938, Arolsen Archiv.
  • [17]Mark Rubinstein an Peter Dehn, Mail vom 29.9.2023.
  • [18]Ende des 20. Jahrhunderts sind die Smorgons die reichste Familie Australiens, abgerufen am 15.5.2023.
  • [19]Mark Rubinstein an Peter Dehn, Mail vom 29.9.2023.
  • [20]Meldekarte Hannover aao.
  • [21]Vgl. Grumblies aao, Seite 688.
  • [22]Ausführliche Darstellung im Schreiben von Heinz Dehn an RA Eckstein vom 13.3.1957; Familienarchiv Dehn.
  • [23]Visum für Ida Dehn siehe NAA_ItemNumber7249875.
  • [24]Der Index zur Ankunft von Ausländern in Kanada für die Nussbaums und Ida Flieder nutzt drei Kennzahlen – Alter – wahrscheinlich Kabine – und Jahr der Ankunft.
  • [25]Passagierliste der Duchess of Atholl vom 31.12.1938, von Liverpool nach Halifax; Familienarchiv Dehn.
  • [26]Einreiseformular für die Familie Nussbaum, NAA_ItemNumber6987659
  • [27]Karteikarten Nussbaum und Flieder der Australia Jewish Welfare and Relief Society; Datenbank des US Holocaust Memorial Museums, abgerufen am 5.3.2021.
  • [28]Mark Rubinstein an Peter Dehn, aao.
  • [29]Vgl. australische Wählerlisten, siehe www.ancestry.de.
  • [30]Vgl, Anzeige im „Aufbau“ vom 6.6.1958, Seite 33; Familienarchiv Dehn.
  • [31]Vgl. Aufzeichnung auf Jewish Gen.
  • [32]Passagierliste der Stirling Castle vom 5.3.1937.
  • [33]Vgl. Stammbaum-Daten auf geni.com für Paula Nussbaum, abgerufen am 15.5.2023.
  • [34]Vgl. Stammbaum-Daten auf geni.com; für Herbert Nussbaum, abgerufen am 15.5.2023.
  • [35]Mark Rubinstein an Peter Dehn, Mail vom 26.3.2024.
  • [36]Mark Rubinstein an Peter Dehn, Mail vom 4.3.2023.
  • [37]Mark Rubinstein an Peter Dehn, aao.
  • [38]Ein Philipp Martin betrieb zu der Zeit eine Fleischerei in der Nordmannstrasse 5.
  • [39]Grumblies aao, Seite 630.
  • [40]Grumblies aao, Seite 688f.

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