Dunera

Die Reise der Dunera
Teil 3

Die Internierten des Camps 7 bei Hay im australischen Bundesstaat New South Wales richteten Ende 1940 ihren Bericht über die Reise auf der Dunera an den Vertreter Großbritanniens in Australien. Dieses Dokument wird hier – möglicherweise erstmals in deutscher Sprache – ungekürzt wiedergegeben und durch Auszüge aus anderen Dokumenten ergänzt.

Der englische Text liegt im Familienarchiv Dehn vor; es handelt sich wahrscheinlich um eine Abschrift.
Übersetzung und ergänzende Recherche: Peter Dehn, Januar 2024.

M E M O R A N D U M

übermittelt an Seine Exzellenz den High Commissioner des Vereinigten Königreiches in Australien von den Internierten aus England im
Camp Nr. 7, Eastern Command, Hay, N.S.W.

Das Nachfolgende gibt eine kurze Abrechnung der Behandlung, die die 962 Internierten des Camps Nr.7, Eastern Commmand, Australien, während ihrer Reise nach Australien an Bord der H.M.T. „Dunera“ erfahren haben. Zur Gesamtheit der Internierten kommen die im Camp Nr. 8 hinzu, für die alle Bedingungen der Behandlung automatisch geltend, die nachstehend aufgeführt sind.

Alle Personen hier wurden zwischen Mai und Juni 1940 als Folge allgemeiner Internierungsbefehle interniert. Praktisch alle sind Flüchtlingen vor der Nazi-Verfolgung wegen ihrer jüdischen Abstammung, ihrer politischen Überzeugung oder ihrem religiösen Glauben. Fast alle wurden in er Kategorie „C“ eingestuft durch die in England eingerichteten „Special Aliens Tribunals“, wodurch sie offiziell „Flüchtlinge vor der Nazi-Verfolgung“ und befreit von den meisten Einschränkungen wurden.

Bedingungen, wegen denen Internierte nach Übersee kamen

Vor ihrem Transport nach Übersee waren die Internierten in mehreren englischen Lagern. Sie wurden entweder freiwillig nach Übersee geschickt wegen der Überzeugungskraft bestimmter Versprechungen oder wurden dazu gezwungen.

a) Den Internierten aus den Lagern Lingfield (etwa 350 an Bord der H.M.T. „Dunera“) wurde versprochen, dass sie in ein permanentes Lager in England gebracht würden. Entsprechend waren sie in keinster Weise für eine lange Reise nach Übersee vorbereitet.
b) Den Internierten vom Lager Huyton bei Liverpool (etwa 1.000 an Bord der H.M.T. „Dunera“) wurde von ihrem Lagerkommandanten versprochen, dass
1.  in Übersee mehr persönliche Freiheit bestehe, trotz bestimmter Einschränkungen und Möglichkeiten der Arbeit in einer eigenen Umgebung,
2.  ihre Frauen und Kinder kurzfristig folgen würden,
3. potenzielle Migranten hinsichtlich ihrer Migrationspläne nicht schlechter gestellt würden.

Nach persönlicher Beratung überzeugten die verantwortlichen Offiziere alle Interessenten von einer freiwilligen Meldung, weil sie in Übersee eine große Zukunft erwarten würde.

Es wurde offiziell angekündigt, dass 80 Pfund Gepäck mitgenommen werden kann und in Teilen des Lagers wurden Seesäcke vorbereitet, um Notwendiges für die ersten Reisetage aufzunehmen. Fast alle Internierten aus Huyton waren freiwillige, nur eine geringe Anzahl wurde zum Mittun gezwungen, um ostentativ die notwendige Zahl zu erreichen.

c) Den Internierten des Central Camp und des Onchan Camp, Douglas, Isle of Man, wurde versprochen, dass
1.  sie nach Kanada gebracht würden,
2. ihre Frauen und Kinder im gleichen Konvoi wären.

Im Onchan Camp wurde eine künftige kanadische Postanschrift offiziell verkündet. Die verheirateten Männer dieses Camps meldeten sich freiwillig, die Unverheirateten wurden zur Reise gezwungen. Ihnen wurden 80 Pfund Gepäck gestattet.

d) Die Internierten von Camp Ramsey, Isle of Man, waren zumeist Mitglieder des Kitchener Camp, Richborough, Kent. Das waren Flüchtlinge aus Deutschland, die in England Asyl gefunden hatten und ihre Transmigration nach Übersee erwarteten. Ihnen wurde vom Lagerkommandanten versprochen,
1. dass sie höchstwahrscheinlich nach Kanada gehen,
2. dass sie bezüglich ihrer Transmigration durch den Transport in keiner Weise schlechter gestellt würden,
3. dass die Transmigranten in die USA (etwa 200) nichts Besseres tun könnten, als sich freiwillig für diesen Transport zu melden, denn sie würden so die Reisekosten sparen,
4. dass sie in Übersee Bewegungsfreiheit genießen werden.

Ein Jahr nach Ende der Deportationen räumt das britische Innenministerium illegales Handeln ein, spielte aber dessen Umfang herunter. U.a. habe das Männer aus dem Kitchener Camp, Richborough, Kent betroffen: „Bei der Durchführung der allgemeinen Internierung feindlicher Ausländer im Küstengebiet wurde übersehen, dass einige der Insassen dieses Flüchtlingslagers keine feindlichen Ausländer waren und sie wurden mit den Deutschen und Österreichern interniert und einige von Ihnen wurden später nach Australien und Kanada geschickt.“

A.I. Tudor, britisches Innenministerium, an Major Wheeler, Büro des australischen Hochkommissars, am 27.8.1941. Australisches Nationalarchiv NAA, NAA_ItemNumber216015, Seite 230.

Tatsache ist: Das Kitchener Camp war ein Durchgangslager ausschließlich für jüdische Flüchtlinge, die mit Genehmigung der Regierung von jüdischen Organisationen aus Deutschland herausgeholt worden waren. Sie warteten darauf, in andere Länder weiterreisen zu dürfen. Nicht nur „einige“, sondern kein einziger war ein feindlicher Ausländer. Unabhängig davon, ob sie vom Kitchener Camp auf dem Umweg über Huyton oder die Isle of Man auf die Dunera gebracht wurden. Es handelt sich um eine weitere Täuschung der Öffentlichkeit durch die britische Regierung. 

Ihnen wurde gestattet, 80 Pfund Gepäck mitzuführen und das Gepäck wurde von einem Offizier untersucht, bevor es weitergeleitet wurde.

Aufgrund des oben gesagten ist klar ersichtlich, dass sich die Internierten bei ihrer Ankunft auf der H.M.T. „Dunera“ in großer Mehrheit freiwillig für diesen Transport gemeldet hatten, weil sie der Kraft der Versprechungen geglaubt hatten, dass sich ihnen eine ungleich größere Chance böte, im Kampf gegen Nazideutschland zu helfen, als in England hinter Stacheldraht zu sitzen. Es waren Männer mit großen Hoffnungen und guter Laune, die am 10. Juli 1940 zur Einschiffung in Liverpool eintrafen.

Einschiffung

A.

Soweit bekannt traf der erste Transport mit ungefähr 500 Mann aus Huyton ein. Man ließ sie am Pier auf das Schiff warten und sie sollten sich dann schnell durch einen schmalen Durchgang auf die Landungsbrücke begeben. Hinter dieser Tür waren Soldaten postiert, die ausnahmslos jeden einer rohen Durchsuchung unterwarfen. Alles, was lose in der Hand getragen oder in Taschen war wurde den Internierten weggenommen. Alle weniger wertvollen Effekten wie Handschuhe, Toilettenartikel, Essbares, Pfeifen usw. wurden unordentlich auf den Boden geworfen. Wertvolles wurde in Säcke gestopft oder verschwand offen in den Taschen der durchsuchenden Soldaten. Bald lagen reihenweise leere Brieftaschen auf dem Boden, der Inhalt leerer Aktentaschen wurde irgendwo hingeworfen und die offiziell ausgegebenen Seesäcke waren überall zu sehen. Wertvolle Dokumente, Ausweise, Identitäts- und Emigrationspapiere, Zeugnisse aller Art wurden weggenommen, auf den Boden geworfen oder wurden sogar vor den Augen der Besitzer ostentativ zerrissen.

Mit Ausnahme einer Durchsuchungsgruppe wurden keine Quittungen ausgegeben. Appelle an die danebenstehenden Offiziere waren fruchtlos. Anflüge von Protest wurden roh unterdrückt. Eine benommene Gruppe von Männern fand sich zusammengepfercht im oberen und unteren Kantinen-Decks Nr.2 an Bord der H.M.T. „Dunera“ wieder. Von allen Dingen, die auf der Landungsbrücke weggenommen wurden, wurden später nur wenige wiedergesehen.

B.

Jedem der Mitglieder des 2. Transports von Huyton, der einige Stunden später ankamen, wurde befohlen, zwei Koffer zu nehmen, die auf dem Bahnsteig standen.

1. Ein Teil wurde in das obere Deck Nr.2 geschickt und alle Aktentaschen und die vorher ausgegebenen Seesäcke wurden ihnen weggenommen. Die Koffer wurden geöffnet (einige mit Gewalt), obwohl sie nicht den Personen gehörten, die sie trugen. Gegenstände von Wert und Interesse wurden herausgenommen. Diese Vorgehensweise wurde nach einiger Zeit beendet und den Internierten wurde befohlen, die Koffer auf dem Deck auf Haufen zu packen. Den Internierten wurde befohlen, sich auf einer Seite des Decks zu versammeln, und sich dann durch eine Reihe von Soldaten auf die andere Seite zu bewegen. Hier wurden sie sehr genau durchsucht mit einem Ergebnis, das dem der ersten Gruppe ähnelte. Alles lose, was gefunden wurde, wurden weggenommen.
2. Die restlichen Internierten wurden auf das untere Messdeck Nr.3 geschickt. Ihnen wurde befohlen, sich zu setzen und alles aus ihren Taschen auf die Tische zu legen. Dem folgte eine Leibesvisitation und eine gründliche Untersuchung der Gegenstände auf den Tischen, wobei alles von Wert weggenommen wurde. Es gab kein System, wie bei anderen weggenommenen Dingen. In einigen Fällen wurden sogar Notizbücher, Zahnbürsten und Seife entfernt. Etwas später wurde erklärt, dass ein Fehler gemacht worden sei. Einige Säcke mit beschlagnahmten Dingen dieses (Decks), des oberen Nr.2 (Decks) und des oberen Nr.3 (Decks) seien auf dem Boden und einem Tisch ausgeleert worden. Man stellte fest, dass nur wenige Wertartikel in den Säcken verblieben waren.

Am nächsten Tag begannen die Internierten damit, die Spuren der rechtmäßigen Eigentümer zu verfolgen, bevor das aber zum Abschluss gebracht werden konnte, wurden die verbliebenen Gegenstände erneut von Soldaten eingesammelt und mitgenommen.

C.

Als nächstes kam die Gruppe aus dem Lager Lingfield an. Auch sie wurden aufgefordert, Koffer vom Bahnhof mitzunehmen. Ihnen wurde dann befohlen, sie auf dem Oberdeck zu lassen. Dort wurden ihnen alle Aktentaschen und Taschen jeglicher Art weggenommen und sie wurden bei der Ankunft auf dem Oberdeck Nr. 3 behandelt wie die vorige Gruppe.

D.

Der erste Teil der Gruppe von den verschiedenen Lagern auf der Isle of Man wurde auf dem Sergeants Deck im vorderen Teil des Schiffes untergebracht. Die restlichen kamen in den Heckbereich zusammen mit Internierten Nicht-Flüchtlingen und Italienern, die später in Melbourne[1] Es handelte sich um 200 Italiener und 251 Deutsche – alles Überlebende der Arandora Star. Darunter waren sowohl Nazis als auch Flüchtlinge. von Bord gebracht wurden.

1. Den im Vordeck Untergebrachten wurden beim Betreten des Schiffes alle Koffer, Taschen und anderes Tragbares fortgenommen und eine Leibesvisitation unterzogen. Das wurde aber nicht vollständig durchgeführt, weil sie an den Tischen der Messe saßen. Einige weggenommene Gegenstände wurden in große Schalen getan und später zurückgegeben. Die meisten Wertgegenstände wurden vermisst.
2. Die, die in den Heckbereich geführt worden waren, wurden beim Betreten des oberen Messedecks durchsucht. Alles, was in ihren Taschen gefunden wurde, wurde weggenommen, auch Taschentücher usw. Alles wurde auf den Boden geworfen, mit Ausnahme der meisten Wertsachen, die sich die Soldaten in die Taschen steckten. Plötzlich verschwanden die Soldaten und hinterließen einen großen Haufen herumliegender beschlagnahmter Dinge. Die Internierten begannen mit der Rückgabe.

Alle Durchsuchung wurden ohne Diskriminierungen durchgeführt, begleitet von Gewalt, und sie führten zum Verlust enormer Mengen von Geld, Wertsachen, Toilettenartikeln und wichtigen Dokumenten, die nie mehr auftauchten.

In Bezug auf die Vorfälle während der Einschiffung der Internierten, wird auf die begleitenden Statements von Siegfried Cohn, Geismar, Hirsch, Halle, Laske, Lederer Leiser, Oppenheim, Ries, Simon und Volpe verwiesen.

Behandlung während der Reise

Hygiene-Bedingungen

1. a) Die Decks der Internierten waren ausnahmslos überfüllt um bis zu 50 Prozent. Das untere Deck Nr.2 war für 228 Männer vorgesehen. Es wurde zum Quartier für 354 Männer. Diese Verhältnisse waren Tatsache auf praktisch allen Decks.
b) Die Überfüllung war so, dass Leute während der gesamten Reise nachts auf den Tischen und auf dem Boden schlafen mussten, während tagsüber, weil Hängematten nicht erlaubt waren, die Treppen und jeder verfügbare Zoll des Bodens ständig überfüllt waren. Bei einem Unfall hätte alleine die Überfüllung jeden Versuch der Lebensrettung unmöglich gemacht.
2. Am ersten Abend war es verboten, die Decks zu verlassen. Eimer für Urin wurden bereitgestellt. Die Eimer flossen bald über und das Schmutzwasser überflutete die Decks, sobald das Schiff krängte. Inmitten dessen lagen schlafende Männer, weil es zuerst keine Hängematten oder Decken gab.
3. a) Wochenlang blieben die Luken geschlossen. Weder Tageslicht noch natürliche Luft erreichte jemals die Decks. Wochenlang war man abhängig von elektrischem Licht und künstlicher Belüftung durch Ventilatoren – und das in den überfüllten Decks auf einer Reise durch die Tropen. Später wurden die Luken geöffnet, sofern das möglich war. Die Bullaugen waren die ganze Zeit über verschlossen.
b) Impfungen gegen Typhus und Cholera wurden trotz der Umstände, die offensichtlich eine derartige Epidemie begünstigten, nicht verabreicht. Außerdem mangelte es an den wichtigsten Medikamenten wie Insulin, das über Bord geworfen wurde, sobald es als Eigentum eines Internierten erkannt wurde. Zahnprothesen wurden weggenommen, zerstört oder über Bord geworfen.
4. Der obere Teil des Schiffs, wo man frische Luft hätte schnappen können, waren absolut tabu. Die Wege dorthin waren verbarrikadiert mit Stacheldraht und durch Posten mit aufgepflanztem Bajonett. Gleichwohl wurde an vielen Tage „Übungen“ befohlen.
a) Diese „Übungen“ dauerten, wenn sie denn stattfanden, 15 bis 25 Minuten täglich.
b) Während der längsten Zeit der Reise konnten die höher gelegenen Teile des Schiffs nur barfuß erreicht werden. Bei einer Gelegenheit warf ein Sergeant eine leere Flasche zwischen die vorbeigehenden Internierten. Die Flasche zerbrach und die Internierten wurden gezwungen, barfuß über die Splitter zu gehen. Die Strolche sahen grinsend zu, wie die blassen Internierten dieser Behandlung unterworfen wurden.
c) Es wurde Befehl gegeben, während dieser Übungen zu rennen oder schnell zu gehen. Wer nicht schnellgenug ging, wurde von den Posten mit Gewehrkolben oder durch Schläge getrieben. An den Enden der Decks standen geladene und komplett bemannte feuerbereite Lewis-Maschinengewehr, die auf die Internierten gerichtet waren. Zuweilen griffen Offiziere oder Sergeants passierende Internierte an, schoben sie, prügelten sie oder beleidigten und schlugen sie. Ein Römisch-Katholischer Priester war unter denen, die in dieser Art und Weise gestoßen und geschlagen wurden.
d) Zu Beginn konnte man sich dieser Übungen nicht entziehen. Während der dadurch begründeten Abwesenheit der Internierten durchsuchten Sergeants die Decks nach Wertsachen.
5. Es gab offene Bullaugen in der Küche, den Waschräumen und Latrinen. Um diese Bullaugen herum – auch auf der Toilette – standen Gruppen gedrängt, um etwas frische Luft zu bekommen. Nachmittags um 4 Uhr wurden auch diese Bullaugen verschlossen. Die Luft in den Quartieren der Internierten spottet jeder Beschreibung. Vor allem an den Waschplätzen mischte sich der Dampf der heißen Salzwasser-Duschen mit dem Schweiß der Menge von Männern.
6. Von der ersten Landung in Nordwestafrika bis zur ersten Landung in Australien, also während der gesamten Reise durch die Tropen, gab es frisches Wasser nur zwei- bis dreimal pro Woche. Während der Stopps in afrikanischen Häfen war der Gebrauch von Salzwasser wegen Ansteckungsgefahr verboten, es gab nicht einmal Wasser für die Reinigung des Geschirrs, Waschen oder Baden – und das in den Tropen.
7. Es gab etwa zwei Dutzend Latrinensitze für 1.600 Männer. Das der permanente Strom von Salzwasser viel zu stark war, waren einige Sitze mit einer Mischung aus Salzwasser und Exkrementen derart verschmiert, dass die Benutzung unmöglich wurde. Vor den verbleibenden Sitzen bildeten sich in den Hauptzeiten Schlangen, so dass man der Natur vor den Augen vieler ungeduldiger Menschen nachkommen musste. Außerdem litt eine große Zahl von Internierten an starkem Durchfall, in anderen Fällen nahm die Seekrankheit Formen einer chronischen Verdauungsstörung an. Entsprechung der Bewegung der See war der Boden bei den Latrinen fast immer mit Exkrementen überflutet. An Tagen mit unruhiger See kann der Status der Latrinen kaum beschrieben werden. Es gab einen permanenten Mangel an Papier mit kaum mehr als zwei Blättern je Person. Anderes Papier gab es nicht, Zeitungen waren verboten.
8. Rasierer und Rasierzeug waren weggenommen worden. Während der ersten fünf Wochen waren allen ungepflegte Bärte gewachsen. Die sich daraus ergebenden Hautausschläge und Juckreiz war sehr schmerzhaft. Wer seinen Rasierer hatte retten können und sich glattrasierte, wurde mit dem Bunker bedroht. Vor der Ankunft in Australien wurde befohlen, sofort die Bärte zu entfernen. Dafür wurden für 1.600 Internierte acht Rasierapparate ausgegeben. 9. Medikamente waren sehr knapp, nicht einmal die Versorgung mit Abführmitteln war ausreichend. Wer krank war musste sich eine halbe oder ganze Stunde anstellen, bevor er zum Arzt gelassen wurde. Erst nach mehreren Wochen wurde gestattet, an Deck zu sitzen während der Übungen. Kurz vor dem Eintreffen in Australien wurde Männern über 54 Jahren und Krüppeln täglich eine Stunde Aufenthalt an der frischen Luft gestattet.
10. Ohne jedes Gepäck während des größten Teils der Reise durchquerte ein Teil der Internierten die Tropen wie folgend:
a) ohne Zahnbürste und Zahnpasta,
b) ohne Kamm und Haarbürste,
c) wochenlang ohne Seife; später wurde ein Stück Seife für je 20 Männer ein- oder zweimal pro Woche ausgegeben,
d) wochenlang ohne Handtücher; später bekamen 10 Mann ein Handtuch, das zumeist den geöffneten Koffern der Internierten entnommen wurde,
e) mit nur einem Hemd, einer Hose, einem Paar Strümpfe, oft nur einem Taschentuch. Sobald die Internierten ihre Sachen wuschen und trockneten (das Trocknen wurde auf dem Messedeck durchgeführt) waren die Internierten ohne jede Kleidung. Durch das Waschen – vor allem in Salzwasser – wurde die Wäsche zu Lumpen reduziert,
f) mit nur einem Anzug, oft mit Löchern übersät,
g) mit einem Paar Schuhe, zumeist mit ramponierten Sohlen, mit denen man durch die Abwässer vor den Latrinen gehen musste.

Zu dem oben Gesagten liegen auch Statements von Dr. Herrnstadt[2] Dr. Arthur Herrnstadt )1895-1979) war Zahnarzt in Berlin-Moabit. Er wurde als „Aktionsjude“ nach dem Pogrom vom November 1938 kurzzeitig im KZ Sachsenhausen inhaftiert. Kurz vor Kriegsbeginn bekam er Asyl in England und fuhr ins Kitchener Camp. Er wurde 1946 in Australien naturalisiert., Dr. Urbach[3] Arthur Urbach, Jahrgang 1896, war ein Zahnarzt aus Berlin. 1942 ging er nach Palästina. und Dr. Wasser vor.

Der Zustand hinsichtlich der Sicherheitsmaßnahmen war wie folgt:

Zu keinem Zeitpunkt wurden Schwimmwesten ausgegeben.
Es gab keine Anweisungen für den Notfall und keine Übungen oder Evakuierungsübung wurden jemals durchgeführt.

Zu den zwei Torpedos, die das Boot streiften, aber nicht explodierten, wurde eine Panik vermieden, die ein komplettes Desaster verursacht hätte.

II Durchsuchungen und Konfiszierungen

Während der gesamten Reise wurden Personen aller Decks zufällig oder systematisch durchsucht. In vielen Fällen schienen diese Durchsuchungen willkürliche Aktionen der Wachen, in anderen wurden sie in Anwesenheit oder unter Aufsicht von Offizieren durchgeführt.

1. Mehrfach erschienen Sergeants mitten in der Nacht auf den Decks, begleitet von Soldatenmit aufgepflanztem Bajonett, und begannen leise, Uhren loszumachen, Eheringe abzuziehen und nach Wertsachen zu suchen. Sie zwangen die Betroffenen unter Androhung von Gewalt, ruhig zu sein. Bei solchen Gelegenheiten wurden Internierte mehrfach zusammengeschlagen.
2. Am 5. Tag der Reise wurden alle Internierten des Decks 2 zur Übung befohlen, es wurde niemandem erlaubt, zurück zu bleiben. Sergeants durchsuchten die leeren Räume ohne Zeugen und nahmen verbliebene Wertsachen und andere Artikel, sogar Handschuhe, Schals usw. Sogar das Futter von Mänteln wurde aufgeschnitten und die Füllung von Jacken herausgerissen. Bei der Rückkehr von der Übung wurden die Internierten am Eingang ihrer Decks durchsucht und der wenigen Dinge beraubt, die sie noch bei sich hatten.
3. Angesichts dieser Durchsuchung beschlossen die Deckleader des unteren Decks Nr.3, alle Wertsachen einzusammeln und sie einem Offizier zur sicheren Aufbewahrung anzuvertrauen. Dazu erklärte sich ein Offizier bereit und gab sein Offiziersehrenwort, auf die Sachen aufzupassen und sie am Ende der Reise zurück zu geben. Zwei gefüllte geschlossene Segeltuchtaschen wurden ihm übergeben. Weder die Taschen noch die Artikel wurden jemals wiedergesehen.

Hans Hermann Josephy (Hans Jackson) brachte seine Erinnerung an die Durchsuchungen später zu Papier.
Mit freundlicher Genehmigung von Allen Sternstein.

Kurz nachdem die Gegenstände auf diese Art freiwillig abgegeben wurden, wurde – während die Internierten an einer Übung teilnahmen – wurde eine Durchsuchung des Oberdecks 3, vergleichbar mit der des Decks 2, durchgeführt. Bei dieser Gelegenheit verschwanden Dinge wie Zahnbürsten, Zahncreme, persönliche Briefe und Fotos neben dem was an Füllhaltern, Wertsachen, Schreibstiften usw. noch vorhanden war.
Eine ähnliche Durchsuchung wurde auf dem italienischen Deck durchgeführt (Oberdeck Nr. 7) und dem Deck darunter, wo an einem der folgenden Tage Flüchtlinge einquartiert wurden.
4. Personen wurden während der Übungen an Deck um ihre Armbanduhren, Eheringe und Anderes beraubt. Sie wurden öfters körperlich durchsucht, als sie von der Übung zurückkamen. Andere wurden von Unteroffizieren auf dem Weg zu den Waschräumen, der Krankenstation oder den Toiletten abgefangen und öfters mit Krafteinsatz um persönliche Gegenstände erleichtert. Internierte, die sich freiwillig für die Kombüse oder andere Arbeiten gemeldet hatten, wurden während der Verrichtung ihrer Arbeit um jegliche Wertartikel erleichtert.
Andere wurden durchsucht, als sie am zweiten Tag der Reise ihre Hängematten holen wollten. Sobald Protest geäußert oder nach einem Offizier gefragt wurde, wurden sie sofort mit Waffen bedroht.
5. Während dieser Durchsuchungen wurden religiöse Kleidungsstücke, jüdische Kultgegenstände, Gebetsbücher, Gebetsriemen weggenommen oder zerrissen. Auf eine Bitte des Internierten Oberrabbiners gab Lt. Maloney einige dieser Gegenstände zurück, jedoch wurden sie in einer der folgenden Nächte von Sergeants erneut weggeschleppt und nie wieder gesehen. Einige dieser Gegenständewaren in Deutschland aus brennenden Synagogen gerettet worden.
6. Die Vertreter der Internierten brachten diese Zustände wiederholt Offizieren zur Kenntnis und baten um Einschreiten. Die Offiziere entgegneten, die Soldaten stünden unter Befehl und es sei ihr Recht, jederzeit Durchsuchungen durchzuführen. Col. Scott, der für das Militär verantwortlich war, informierte die Vertreter der Internierten darüber, dass er persönliche die Konfiszierungen angeordnet habe, und damit Instruktionen des Kriegsministeriums folgte und das den Internierten alles Eigentum zurückgegeben werden würde.
Als Vertreter ihr Statement übermittelten, reagierte Col. Scott mit der Androhung, er würde die Deckleader in das Gefängnis des Schiffs sperren, und sie den australischen Behörden in Eisen übergeben, wenn sie ihm weitere derartige Briefe schicken würden.

Was die Durchsuchungen betrifft, wird verwiesen auf die Erklärungen von Altmann, Austern[4] Der Kaufmann Michael Austern wurde 1899 in Horodnicew, Polen, geboren., Chodziesner[5] Georg Chodziesner wurde am 4.3.1900 in Berlin als Sohn des angesehenen Anwalts Ludwig Chodziesner geboren.  Von Beruf war er Elektroingenieur. Nach der Entlassung aus der Internierung und dem Ende seines Armeedienstes blieb er in Australien. Nach dem Krieg schrieb er seine Erlebnisse auf der Dunera unter dem Titel „How I came to Australia“ auf. Auf dieser Grundlage gestaltete sein Urenkel Joshua eine Bildgeschichte., Darnbacher, Felsenstein[6] Jakob Felsenstein wurde 1908 in Frankfurt geboren. Von Beruf war er Kaufmann und Metallurg.  , Gernsheimer[7] Der korrekte Name lautet Helmut Gernsheim. Er wurde 1913 in München geboren und war Fotograf., Hammerstein[8] Hans Herbert Hammerstein, geboren 1901 in Berlin, war Direktor der jüdischen Volksschule in Stettin, als er nach den November-Pogromen von 1938 in Sachenhausen eingekerkert war. 1939 ging er nach England. Er gehört zu der Gruppe, die direkt aus dem Durchgangslager Kitchener Camp  auf die Dunera gebracht wurden. Im Kitchener Camp, wie später in den australischen Internierungslagern, beteiligte er sich an der zionistischen Bildungsarbeit. Nach seiner Freilassung ging er nach Palästina. Unter seinem jüdischen Namen Israel Shiloni gründete er 1971 das „Museum Deutsches Judentum“. Er starb 1996., Kubach[9] Ulrich Charles Hermann Kubach wurde 1919 in Berlin geboren. Er war Verkäufer und gehörte de Church of England an., Laske[10] Peter Georg Laske, geboren 1920 in Berlin, war Fachhändler., Lederer, Lewin, Lindheimer, Dr. Karl Meyer[11] Karl Georg Mayer,1902 in Wien geborener Katholik, war Fachmann für Erdöl., Zacharias Meyer[12] Zacharias Mayer, 1898 geboren, war Steinsetzer von Beruf. In seinem Heimatort in Alsbach-Hähnlein erinnert ein Stolperstein an ihn., Marx und Schick.

Bisher war es nicht möglich, eine komplette Liste aller während dieser Durchsuchungen gewaltsam genommenen Gegenstände vorzubereiten. Aber eine zufällige Zusammenstellung enthält Einzelheiten, der Verluste, die allein den Internierten mit dem Initialen K, L und M zugefügt wurden, wird hier beigefügt und sollte einen fairen Eindruck des totalen Verlustes vermitteln.

Was die Gegenstände betrifft, die von den Internierten des Decks 3 freiwillig abgeliefert wurden, wird auf die Statements der Herren Eppenstein, und Lehner[13] Hans Peter Ernst Lehner wurde 1916 in Charlottenburg geboren. Er war Protestant. Als seinen Beruf nennt er Erdöl-Geologe. und auf die beigefügte zusammenfassende Liste verwiesen.

Was die Proteste der Deckleader gegen die Durchsuchungen betrifft, wird auf das Statement von Herrn Lewinsky verwiesen.

III Handling und Verlust von Gepäck

1. In den englischen Camps waren die Internierten offiziell informiert worden, dass ihnen die Mitnahme von 80 Pfund Gepäck erlaubt war. Für viele Internierte, die vor den Nazis aus Deutschland, Holland und Belgien fliehen mussten, waren diese 80 Pfund Gepäck fast ihr gesamtes Eigentum.
2. Beim Boarding der H.M.T. „Dunera“ wurde den Internierten ihr Gepäck für die gesamte Reisedauer weggenommen. Wiederholte Bitten an die Offiziere, wenigstens Handgepäck und notwendige Gegenstände aus den Koffern holen zu dürfen, wurden verweigert. Am Beginn ihrer Reise mussten die Internierten zuschauen, wie ihre Koffer achtlos auf Haufen auf dem offenen Deck geworfen wurden. Die Koffer wurden zwangsweise geöffnet, die meisten wurden mit Bajonetten aufgeschlitzt, der gefilzte Inhalt lag teilweise auf dem Deck herum und wichtige Dokumente wie z.B. Einreisepapiere für die USA wurden über das Deck in die See geweht.
3. Der Inhalt vieler Koffer wurde zufällig ausgekippt und ermüdete Gruppen von Internierten mussten den Haufen aufräumen, der Gischt und Regen ausgesetzt war. Soldaten steckten offen Dinge aus dem Haufen ein.
4. Später wurde das Eigentum in einen Gepäckraum gebracht, der weder verschlossen noch gesichert war. Während der gesamten Reise bis zum ersten australischen Hafen wurden immer wieder Sergeants gesehen, die – beladen mit allem Möglichen – aus dem Gepäckraum auftauchten. Aufmerksamkeit erregte auch, dass Sergeants plötzlich mit teuren Füllhaltern schrieben und als die Schreibmaschine eines Internierten in einem normalen Raum gesehen wurde.
5. Medikamente und medizinische Instrumente wurden aus dem Gepäck von Internierten genommen und – wenn nicht über Bord geworfen – in der Krankenstation benutzt.
6. Große Mengen persönlicher Wäsche einschließlich Kleidung und Seife, die aus den gewaltsam geöffneten Koffern der Internierten stammten, wurden in Bündeln in die Messen gebracht und den Internierten wurde befohlen, fremde Kleidung zu tragen, die offensichtlich ihren Kameraden genommen worden war. Die Internierten lehnten das ab, es sei denn, das Eigentum würde zweifelsfrei von seinen Eigentümern identifiziert. Der gesamte Mangel an Seife und anderem Reinigungsmaterial machte es zwingend erforderlich, eine Unmenge Stücke zu akzeptieren, die aus dem Gepäck genommen wurde.
7. Als das Gepäck im australischen Lager zurückgegeben wurde, stellten australische Offiziere fest und bezeugten:
a) dass eine große Zahl Koffer mutwillig beschädigt oder zerstört war,
b) dass in den Inhalt der meisten Koffer willkürlich eingegriffen wurde, 
c) dass kaum etwas von Wert in den geöffneten Koffern verblieben war,
d) dass eine große Menge von Kleidung, Büchern, persönlicher Wäsche, Toilettenartikeln und Mengen anderer Dinge fehlten,
e) dass eine beträchtliche Zahl wichtiger und unersetzlicher Dokumente fehlte,
f) dass eine Anzahl Koffer ganz verschwunden war,
g) dass einige Koffer lediglich eine Mischung von Artikeln in verschmutztem Zustand enthielten, die dem Eigentümer des Koffers nicht gehörten und der gesamte orginale Inhalte verloren gegangen war.

Was die Behandlung des Gepäcks während der Reise betrifft, verweisen wir auf die Statements von Clussmann[14] Gustav Heinrich Clusmann war Protestant. Der Bildhauer wurde 1906 in Hamburg geboren., Eule[15] Heinrich Eule, 1908 in Worms geborener Handelsreisender, wurde in Australien naturalisiert., Gruenberg, Dr. Glass, Halle[16] Wie viele Dunera Boys wurde auch der Kaufmann Samuel Halle (geb. 1900 in Hartheim) direkt aus dem Kitchener Camp auf die Dunera gebracht., Halpernsohn[17] Leon David Halpersohn wurde 1903 in Brody/Ukraine geboren, wohnte zuletzt wahrscheinlich in Berlin und war Wirtschaftswissenschaftler. Er wurde im Kitchener Camp interniert., Dr. Lewin, Dr. Marcus, Riess und Weyl[18] Der kaufmännische Angestellte Walter Weyl  wurde 1920 in Wuppertal-Elberfeld geboren..

Was den Zustand des Eigentums von Internierten bei ihrer Ankunft hier betrifft, wird auf den vertraulichen Bericht verwiesen, der von den Australischen Empfangsbehörden zusammengestellt wurde.

Wenige Tage nach der Ausschiffung in Sydney staunten die Internierten im Lager Hay nicht schlecht: „Am 10. September besuchte Lt. O’Neill das Lager. Bei seiner Ankunft wurde er ausgebuht und jeder rief: ‚Wo ist unser Gepäck?‘ Er verschwand sofort.“

Georg Chodziesner „How I came to Australia“, Seite 16.

Eine weitere Liste von Internierten mit Namen und Einzelheiten von Eigentümern von Koffern, die überhaupt nicht abgerufen wurden, ist in Kopie beigefügt.

Zufällig ausgewählte Internierte mit den Anfangsbuchstab K, L und M machten vollständige Angaben fehlender Gegenstände aus ihren Koffern, die nicht zurückgegeben wurden. Die Liste ist in Kopie beigefügt. Eine vollständige Liste kann abgerufen werden.

Beigefügt finden Sie ergänzend eine Zusammenfassung der australischen Lagerbehörde, die den Zustand aller Koffer zeigt, die hier eingegangen sind.

IV Behandlung von Internierten durch das Militär

Unser Status auf der H.M.T. „Dunera“ war von Anfang an unklar. Die Soldaten drückten offen die Ansicht aus, dass wir Fallschirmspringer, oder auf jeden Fall Kriegsgefangene wären. Die durchgeführte Behandlung war entsprechend. Die Internierten wurden nur mit den abscheulichsten Flüchen angesprochen. Tagelang verweigerten Offiziere, die Darstellungen der Internierten zu den vielen Bedrohungen und körperlichen Angriffen entgegen zu nehmen, die von den Sergeants und Soldaten bei jeder Gelegenheit wahllos verübt wurden. Befehle jeglicher Art wurden begleitet von geladenen Gewehren mit aufgepflanzten Bajonetten gegeben. Tritte und Stöße mit dem Gewehrkolben waren tägliche Vorkommnisse. Jeder Versuch, Regress zu erlangen, wurde abgewehrt. Der kleinste Grund war ausreichend für eine Bestrafung vor Ort durch die Wachen, ohne jede Chance für Recherche oder Wiedergutmachung.

Die älteren Internierten, und wer schwere Behandlung der Nazi-Agenten in deutschen Konzentrationslagern durchgemacht hatte, bevor er Zuflucht in England fand, waren so verzweifelt, dass sie sich zu verstecken versuchten, sobald eine Uniform in Sicht kam. Dies auch in Fällen, wo die Wachen betrunken waren und man ihr Verhalten der Wachen nicht vorhersagen konnte. Die Brutalität der Methoden führte dazu, dass viel über Selbstmord gesprochen wurde und es ist bekannt, dass ein Internierter diesen Weg wählte, um dem zu entkommen. Die materiellen Verluste des Anfangs und die stündliche Behandlung, die Bedrohung mit verschiedenen Strafen, erzeugten eine Atmosphäre ängstlicher Besorgnis. Diese wurde noch verstärkt durch das Gefühl völliger Hilflosigkeit gegenüber den uniformierten Vertretern eines Landes, das den Internierten Zuflucht vor der Verfolgung durch die Nazis gewährt hatte und dessen Loyalität in mehr als einer Hinsicht bewiesen worden war. Jeder Protest gegenüber den Offizieren und Mannschaften aus Gründen der Menschenwürde und die Position als „freundliche Ausländer“, bestätigt als Naziopfer durch britische Tribunale, wurden ignoriert.

Die Verdächtigung gegen Internierte ging so weit, sie einer versuchten Brandstiftung anzuklagen, als ein Lappen zu schwelen begann. Dieser war um den Schirm einer die ganze Nacht hindurch brennenden Lampe gewickelte, um die Schläfer vor dem Licht zu schützen. Die Internierten, die in der Nähe schliefen, löschten das sofort, aber die Wachen bemerkten den Geruch. Eine Ermittlung ergab die Harmlosigkeit des Falles zur Zufriedenheit des Kommandanten. Nichtsdestotrotz wurde ein Internierter eine Nacht lang ins Schiffsgefängnis gesperrt und später meldeten Berichte in Australien, dass wir versucht hätten, das Schiff in Brand zu stecken. Wir wurden fast durchgehend der versuchten Meuterei angeklagt, obwohl die Deckleader (die Vertreter der Internierten, pd) keine Mühe scheuten, die Leute zu beruhigen und alles zu vermeiden, was als Akt der Provokation hätte interpretiert werden können.

Als besondere Fälle schlechter Behandlung könne genannt werden:

1. Während der Übungen wurden die Internierten von Offizieren, Sergeants und Soldaten geschlagen, vorwärtsgetrieben mit Gewehrkolben und auf andere Art schlecht behandelt,
2. Während der Durchsuchungen und Konfiszierungen jeglicher Art wurden Internierte geschlagen und bei einigen Gelegenheiten mit Bajonetten niedergestochen,
3. Während der Verhandlungen über die konfiszierten Wertsachen wurden die Deckleader mit Bunker und Eisen bedroht,
4. Oberrabbiner Dr. Ehrentreu, der dem Kommandanten in einer religiösen Angelegenheit geschrieben hatte, wurde von Lt. O‘Neill gewarnt, dass er ihn an den Mast aufhängen, ihn über Bord werfen würde und ähnliches mehr.
5. Als eine sogenannte „spoon message[19] Wachsoldaten fanden an Deck einen Löffel mit einer daran befstigten Botschaft. zum Inhalte wurden den Deckleadern nichts mitgeteilt. Die potenzielle Flaschenpost muss auf Toilettenpapier geschrieben sein, weil den Internierten kein anderes Papier zur Verfügung stand. (Georg Chodziesner, "How I Came to Australia",  Seite 9).“ gefunden wurde, wurden die Internierten mit Einschränkungen der Lebensmittel und beim Licht bedroht, bis die verantwortliche Person gestanden hätte,
6. Ähnliches geschah, als einige Messer aus der Kombüse verschwunden waren,
7. Zwei Internierte wurden in einem verbotenen Bereich gefunden. Sie wurden von Lt. O’Neill, der augenscheinlich betrunken war und sie mit „German Jewish Swine“, „Söhne von jüdischen Hunden“ beleidigte und einen schlug, bis er blutete. Seine Schmerzensschreie waren weithin zu hören.
8. Ein Internierter war wegen einer psychischen Erkrankung in der Krankenstation und wollte das Schiff in Melbourne in absurder Verkleidung verlassen. Er wurde von einigen Sergeants in der brutalsten vorstellbaren Weise malträtiert und bewusstlos geprügelt. Sein blutverschmiertes Hemd wurde Col. Scott von Captain Burton gezeigt.

Vom Dunera-Kriegsgericht wurde Sergeant Arthur Helliwell mit vier Anklagepunkten konfrontiert. Zwei betrafen sein Verhalten während des Fluchtversuchs des als psychisch krank bekannten Internierten Waldemar Eckfeld im Hafen von Melbourne. Helliwell hätte ihn bei dem Fluchtversuch tätlich angegriffen bzw. er hätte unterlassen, den Mann vor Misshandlungen zu schützen. In diesen Anklagepunkten wurde Helliwell freigesprochen.

Über das Urteil berichtet die „Times“ am 23.5.1941. Vgl. Nationalarchiv Australien, NAA_ItemNumber216013, Seite 122.

Was diese Vorfälle betrifft wird unter anderem auf die begleitenden Statements von Darnbacher, Federn[20] Ilnari Karl Peter Federn wurde zwar 1910 in Berlin geboren, war aber Österreicher. Der Student bezeichente sich als Protestant., Henle[21] Kurt Siegbert Henle, Hamburger Jude des Jahrgangs 1924, wurde im Alter von nur 16 Jahren verhaftet und auf der Dunera deportiert., Kubach, Laske, Lederer, Lewinsky, Rosenblueth, Ruhstadt[22] Kurt Ruhstadt war Ingenieur-Student des Jahrgangs 1921; er stammt aus Soest. und Simon verwiesen.

Wir unterbreiten dieses Memorandum auf Nachfrage seiner Exzellenz des Hohen Kommissars des Vereinigten Königreiches.

Hier wird eine wahrheitsgemäße Darstellung der Verhältnisse während unseres Transports auf der H.M.T. „Dunera“ nach Australien nach unserem besten Wissen gegeben. Wir haben Beweismaterial von Mitinternierten gesammelt, die bereit sind die Richtigkeit zu beschwören.

Fußnoten

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  • [1]Es handelte sich um 200 Italiener und 251 Deutsche – alles Überlebende der Arandora Star. Darunter waren sowohl Nazis als auch Flüchtlinge.
  • [2]Dr. Arthur Herrnstadt )1895-1979) war Zahnarzt in Berlin-Moabit. Er wurde als „Aktionsjude“ nach dem Pogrom vom November 1938 kurzzeitig im KZ Sachsenhausen inhaftiert. Kurz vor Kriegsbeginn bekam er Asyl in England und fuhr ins Kitchener Camp. Er wurde 1946 in Australien naturalisiert.
  • [3]Arthur Urbach, Jahrgang 1896, war ein Zahnarzt aus Berlin. 1942 ging er nach Palästina.
  • [4]Der Kaufmann Michael Austern wurde 1899 in Horodnicew, Polen, geboren.
  • [5]Georg Chodziesner wurde am 4.3.1900 in Berlin als Sohn des angesehenen Anwalts Ludwig Chodziesner geboren.  Von Beruf war er Elektroingenieur. Nach der Entlassung aus der Internierung und dem Ende seines Armeedienstes blieb er in Australien. Nach dem Krieg schrieb er seine Erlebnisse auf der Dunera unter dem Titel „How I came to Australia“ auf. Auf dieser Grundlage gestaltete sein Urenkel Joshua eine Bildgeschichte.
  • [6]Jakob Felsenstein wurde 1908 in Frankfurt geboren. Von Beruf war er Kaufmann und Metallurg.  
  • [7]Der korrekte Name lautet Helmut Gernsheim. Er wurde 1913 in München geboren und war Fotograf.
  • [8]Hans Herbert Hammerstein, geboren 1901 in Berlin, war Direktor der jüdischen Volksschule in Stettin, als er nach den November-Pogromen von 1938 in Sachenhausen eingekerkert war. 1939 ging er nach England. Er gehört zu der Gruppe, die direkt aus dem Durchgangslager Kitchener Camp  auf die Dunera gebracht wurden. Im Kitchener Camp, wie später in den australischen Internierungslagern, beteiligte er sich an der zionistischen Bildungsarbeit. Nach seiner Freilassung ging er nach Palästina. Unter seinem jüdischen Namen Israel Shiloni gründete er 1971 das „Museum Deutsches Judentum“. Er starb 1996.
  • [9]Ulrich Charles Hermann Kubach wurde 1919 in Berlin geboren. Er war Verkäufer und gehörte de Church of England an.
  • [10]Peter Georg Laske, geboren 1920 in Berlin, war Fachhändler.
  • [11]Karl Georg Mayer,1902 in Wien geborener Katholik, war Fachmann für Erdöl.
  • [12]Zacharias Mayer, 1898 geboren, war Steinsetzer von Beruf. In seinem Heimatort in Alsbach-Hähnlein erinnert ein Stolperstein an ihn.
  • [13]Hans Peter Ernst Lehner wurde 1916 in Charlottenburg geboren. Er war Protestant. Als seinen Beruf nennt er Erdöl-Geologe.
  • [14]Gustav Heinrich Clusmann war Protestant. Der Bildhauer wurde 1906 in Hamburg geboren.
  • [15]Heinrich Eule, 1908 in Worms geborener Handelsreisender, wurde in Australien naturalisiert.
  • [16]Wie viele Dunera Boys wurde auch der Kaufmann Samuel Halle (geb. 1900 in Hartheim) direkt aus dem Kitchener Camp auf die Dunera gebracht.
  • [17]Leon David Halpersohn wurde 1903 in Brody/Ukraine geboren, wohnte zuletzt wahrscheinlich in Berlin und war Wirtschaftswissenschaftler. Er wurde im Kitchener Camp interniert.
  • [18]Der kaufmännische Angestellte Walter Weyl  wurde 1920 in Wuppertal-Elberfeld geboren.
  • [19]Wachsoldaten fanden an Deck einen Löffel mit einer daran befstigten Botschaft. zum Inhalte wurden den Deckleadern nichts mitgeteilt. Die potenzielle Flaschenpost muss auf Toilettenpapier geschrieben sein, weil den Internierten kein anderes Papier zur Verfügung stand. (Georg Chodziesner, "How I Came to Australia",  Seite 9).
  • [20]Ilnari Karl Peter Federn wurde zwar 1910 in Berlin geboren, war aber Österreicher. Der Student bezeichente sich als Protestant.
  • [21]Kurt Siegbert Henle, Hamburger Jude des Jahrgangs 1924, wurde im Alter von nur 16 Jahren verhaftet und auf der Dunera deportiert.
  • [22]Kurt Ruhstadt war Ingenieur-Student des Jahrgangs 1921; er stammt aus Soest.

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